Strittige Szenen am 23. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Saarbrücken, Dresden, Mannheim, Ingolstadt, Bielefeld, Essen, Aue und Verl, das 2:0 von Saarbrücken, die Strafstöße für Mannheim und Dresden, das 2:0 von Stuttgart II, sowie Foulspiele von Menzel und Kölle. Am 23. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 16 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Eine Hereingabe von Calogero Rizzuto (Saarbrücken) bekommt Maximilian Thalhammer im Strafraum den Arm, Schiedsrichter Michael Bacher pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]

Babak Rafati: Nach einer langen Hereingabe von Rizzuto in den Strafraum nimmt Thalhammer den Arm aktiv heraus und spielt den Ball mit diesem. Dabei kann keine Rede von Schulter sein, wie es der Schiedsrichter womöglich ausgelegt hat. Wenn man frontal zum Ball steht und den Arm seitlich herausnimmt, kann der Ball nur an den Arm gelangen, wenn er nicht aus der Luft nach unten fällt. Zum anderen ist das klare Handspiel mit dem Oberarm zu sehen. Das ist ein strafbares Handspiel, und somit hätte es einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, das Spiel weiterlaufen zu lassen und den fälligen Elfmeter nicht zu pfeifen.

Szene 2: Bei einem Pass von Tim Civeja steht Sven Sonnenberg (Saarbrücken) möglicherweise im Abseits und nimmt den Ball an. Das Spiel läuft weiter, und anschließend fällt das 2:0. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Nach einem Pass von Civeja will ein Angreifer den Ball womöglich annehmen. Ihm springt der Ball aber vom Fuß und gelangt weiter zu Sonnenberg, der knapp mit dem Knie und der Schulter in Abseitsposition steht. Kurz danach fällt ein Tor. Dieses hätte allerdings aufgrund der vorherigen Abseitsposition nicht zählen dürfen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt. Womöglich hat der Assistent das Verspringen des Balles, der zu einem Pass wird, erst gar nicht gesehen beziehungsweise wahrgenommen. Vielleicht wird er den "Pass" auch gesehen und nicht als Abseits ausgelegt haben, da die Situation auch sehr knapp ist.

Szene 3: Im Anschluss an eine Ecke bekommt Calogero Rizzuto (Saarbrücken) den Ball nach einem Schuss von Maximilian Thalhammer an den Rücken, dennoch gibt Bacher Elfmeter für Mannheim. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]

Babak Rafati: Nach einem Schuss von Thalhammer dreht sich Rizzuto um, damit er den Ball blockt. Dabei bekommt er den Ball an den Rücken und vielleicht minimal an die Schulter. Somit ist alles regelgerecht, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, auf Elfmeter zu entscheiden.

Szene 4: Nach dem Tor von Mannheim tritt FCS-Keeper Philipp Menzel seinem Gegenspieler Ferati (Mannheim) auf den Fuß, kommt aber mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 58:30]

Babak Rafati: Es ist nicht die Aufgabe des Angreifers, dorthin zu gehen, vielmehr muss der Schiedsrichter darauf achten, dass in solchen Situationen die verteidigende Mannschaft den Ball schnellstmöglich zum Anstoß bringt und keine Zeit vergeudet wird. Dass er trotzdem dort hin eilt und zu Fall kommt, kann schon passieren. Keeper Menzel ist aber keine Absicht zu unterstellen, vielmehr will er auch zum Ball und touchiert Ferati leicht am Fuß, sodass die gelbe Karte in Ordnung ist. Für eine rote Karte liegt kein entsprechendes Trefferbild vor, sodass Gelb eine richtige Entscheidung ist.

Szene 5: Nach einem Torschuss wird Julian Rieckmann (Mannheim) im Strafraum von Elijah Krahn (Saarbrücken) am Knöchel getroffen. Bacher lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 4:25]

Babak Rafati: Nach einem Schuss von Rieckmann grätscht Krahn zum Ball, spielt diesen klar und eindeutig  und klärt ihn deutlich aus der Gefahrenzone. In diesem Bewegungsablauf, der vollkommen natürlich und komplett ballorientiert ist, trifft er mit dem Nachziehbein Rieckmann am Fuß. Das ist ein sauberes Tackling und ein klares Ballspielen, auch wenn es hierbei zum Fußtreffer kommt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben. Wäre der Ball nicht gespielt worden, würde die Aktion mit dem Nachziehbein zu einem Foulspiel werden, da sie als gegnerorientiert ausgelegt werden würde.

 

Szene 6: Im Strafraum gehen Dominik Kother (Dresden) und y (Stuttgart II) zum Ball. Kother geht dabei zu Boden, auf den Punkt zeigt Schiedsrichter Yannick Rupert aber nicht. [TV-Bilder – ab Minute 42:30]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf ist der Verteidiger zuerst am Ball und klärt klar das Spielgerät zur Ecke. Kother kommt etwas zu spät, verpasst den Ball und trifft stattdessen dem Verteidiger gegen den Fuß, mit dem dieser zuvor eindeutig den Ball geklärt hat. Hierfür keinen Elfmeter zu geben, ist eine richtige Entscheidung. Es hätte sogar einen Freistoß für den Verteidiger wegen Stürmerfoul geben müssen.

Szene 7: Torhüter Tim Schreiber nimmt einen Ball, der von Mitspieler David Kubatta kommt, auf. Schiedsrichter Yannick Rupert entscheidet auf Rückpass und gibt Freistoß, aus dem das 2:0 für Stuttgart. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Nachdem der Ball in den Strafraum gepasst wird, geht Kubatta zum Ball, will diesen erreichen, kann ihn aber nicht kontrollieren. Von da aus geht der Ball zum eigenen Keeper Schreiber, der den Ball aufnimmt. Da kein kontrolliertes Zuspiel vorliegt, kann hier nicht von einem „Rückpass“ gesprochen werden. In dieser Szene hätte es weitergehen müssen, so dass eine Fehlentscheidung vorliegt, einen Freistoß zu verhängen. Somit hätte es gar nicht zur anschließenden Torerzielung kommen dürfen.

Szene 8: Im Strafraum geht Sascha Risch (Dresden) im Duell mit Kaden Amaniampong (Stuttgart II) zu Fall, Rupert gibt Elfmeter für Dresden. [TV-Bilder – ab Minute 3:40]

Babak Rafati: Risch spielt Gegenspieler Amaniampong aus, dann kommt es im Strafraum zu einem Zweikampf. Dabei trifft der Verteidiger dem Angreifer gegen den Fuß und bringt ihn zu Fall. Dadurch, dass Risch in vollem Lauf ist und ein Bein anhebt, um den Ball zu erreichen und somit keinen festen Halt mit beiden Füßen auf dem Boden hat, reicht dieser Fußtreffer aus und ist ursächlich für das Zufallkommen. Somit eine richtige Entscheidung, auf Elfmeter zu entscheiden.

Szene 9: Bei einem Gewühl im Strafraum nimmt Leonhard Münst (Stuttgart II) den Ball am Boden liegend mit der Hand mit. Geahndet wird die Szene nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:09:45]

Babak Rafati: Dadurch, dass Münst von Meißner am Fuß getroffen wird, kommt er zu Fall und fällt unbeabsichtigt und unfreiwillig mit dem Arm auf den Ball. Das ist kein strafbares Handspiel, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, keinen Elfmeter zu geben. Zudem ist es richtig, wegen des Fußtreffers auf Stürmerfoul zu entscheiden.

 

Szene 10: Im Strafraum geht Max Besuschkow (Ingolstadt) gegen Thore Jacobsen (1860) zu Fall. Elfmeter gibt Schiedsrichter Patrick Schwengers aber nicht, stattdessen entscheidet er auf Schwalbe. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf grätscht Jacobsen zum Ball und trifft diesen womöglich nicht, aber seinen Gegenspieler Besuschkow trifft er auch nicht. Dieser wiederum knickt ein und kommt ohne entscheidenden Kontakt zu Fall. Die Aktion des Torhüters, der zum Zweikampf hinzukommt, ist absolut regelgerecht, denn dieser berührt oder trifft den Angreifer erst gar nicht. Den gesamten Vorgang ordnet der Schiedsrichter schlussendlich vollkommen richtig als Schwalbe ein, zeigt dem Angreifer die gelbe Karte und gibt eben keinen Elfmeter. Diese Szene zeigt, wie wichtig der Blickwinkel zum Vorgang ist, um eine Szene richtig bewerten zu können, gerade im Strafraum. Sehr gut gesehen vom glänzend postierten Schiedsrichter!

Szene 11: Bei einem Laufduell wird David Kopacz (Ingolstadt) hart von Sean Dulic (1860) geblockt. Erneut gibt Schwengers keinen Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 50:35]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell ist der Blick von Dulic nur auf Kopacz gerichtet, er guckt in der entscheidenden Phase gar nicht mehr zum Ball und hat daher nur die Intention, seinen Gegenspieler zu attackieren. Das macht er dann auch mit einem Bodycheck in den Rücken des Gegenspielers, was zu einem Foulspiel führt. Die Aktion ist nur gegnerorientiert, sodass ein Foulspiel vorliegt. Der Kontakt ist knapp außerhalb des Strafraumes, sodass es einen Freistoß für Ingolstadt hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den fälligen Freistoß nicht zu geben.

 

Szene 12: Nach einer Ecke geht Joel Felix (Bielefeld) zum Ball, kommt aber im Duell mit Marco Schikora (Sandhausen) zu Fall. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Richard Hempel. [TV-Bilder – ab Minute 1:14:30]

Babak Rafati: Auch, wenn Schikora den Arm um die Hüfte von Felix hat, reicht das bei weitem für einen Elfmeter nicht aus. Felix kommt auch ein wenig in Rückenlage, da er sich ein wenig verschätzt und in eine nicht optimale Position zum Ball kommt, um ihn richtig auf das Tor zu bringen. Somit liegt kein Foulspiel vor, sodass es eine richtige Entscheidung ist, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 13: Ahmet Arslan (Essen) wird im Strafraum von Simon Skarlatidis (Unterhaching) gestoßen, Schiedsrichter Felix Weller lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]

Babak Rafati: Auch wenn der Ball nicht mehr zu Arslan gekommen wäre, liegt ein klares Foulspiel von Skarlatidis gegen Arslan vor. Der Verteidiger spekuliert darauf, dass der Ball möglicherweise gleich in die Mitte zu Arslan gepasst wird und rennt ihn deshalb von hinten einfach nur um, um zu vermeiden, dass der Angreifer an den Ball kommt. Dabei ist er in der schlechteren Position, nämlich hinter dem Angreifer, der sich Richtung Tor nach vorne orientiert. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, weiterspielen zu lassen und den fälligen Elfmeter nicht zu geben. Diese Szene ist aber nicht im Blickfeld des Schiedsrichters, sodass man ihm keinen Vorwurf machen kann. Natürlich muss das dennoch einer im Schiedsrichter-Team (der Vierte Offizielle oder der Assistent in der anderen Spielhälfte) sehen.

 

Szene 14: Im Strafraum geht Marcel Bär (Aue) gegen Patrick Nkoa (Aachen) zu Fall und fordert einen Elfmeter. Diesen gibt Schiedsrichter Konrad Oldhafer jedoch nicht, stattdessen entscheidet er auf Schwalbe von Bär. [TV-Bilder – ab Minute 44:50]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf wird Nkoa womöglich Bär ein bisschen getroffen haben, aber dieser mögliche Treffer ist einfach zu wenig für einen Elfmeter. Auf Schwalbe für das Zufallkommen von Bär zu entscheiden, ist aber auch einfach viel zu hart und somit eine Fehlentscheidung. Hier wäre es besser gewesen, einfach weiterspielen zu lassen.

 

Szene 15: Im Strafraum wird Jonas Arweiler (Verl) von Kenneth Schmidt (Hannover II) gehalten, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Martin Speckner nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:03:50]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf übertreibt Schmidt gegen Arweiler einfach und greift seinem Gegenspieler gleich zweimal deutlich um den Nacken und hält ihn vom Ball weg. Das ist zu viel des Guten, sodass ein Foulspiel vorliegt. Es hätte somit einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und dieses Vergehen nicht zu ahnden. Zugegebenermaßen ist das ein Vorgang, den man oft sieht und der oftmals auch nicht gepfiffen wird.

 

Szene 16: Jordi Paulina (Dortmund II) wird vor dem Strafraum von Niklas Kölle (Osnabrück) gefoult. Schiedsrichter Jarno Wienefeld belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]

Babak Rafati: Dass ein Foulspiel von Kölle an Paulina vorliegt, ist unstrittig. Da regeltechnisch unter anderem das Kriterium der Ballkontrolle für eine Verhinderung einer klaren Torchance vorliegen muss, um dann die rote Karte zu zeigen, entscheidet sich der Schiedsrichter in dieser Szene für eine gelbe Karte. Somit liegt er zumindest regeltechnisch richtig, auch wenn fast jeder weiß, dass sich daraus eine sehr gute Torchance ergeben hätte. Meiner Meinung nach muss die Regel überdacht und modifiziert werden, denn hier muss es die rote Karte geben.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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