Strittige Szenen am 24. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das 1:0 und 3:1 von Dresden, die nicht gegebenen Elfmeter für Dresden, Saarbrücken (2), Ingolstadt und Bielefeld, die Strafstöße für 1860 und Rostock, das 1:0 von Unterhaching, das 1:2 von Aue, das 3:1 von Köln, die nicht gegebenen Treffer für Stuttgart II, Verl und Dortmund II, der Platzverweis gegen Nkili sowie Foulspiele von Hauptmann, Dietze, King Manu und Seimen. Am 24. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 20 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Nach einer Flanke setzt sich Christoph Daferner (Dresden) im Strafraum gegen Leroy Kwadwo (München) durch, der dabei zu Fall kommt. Schiedsrichter Nicolas Winter gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]

Babak Rafati: Nach einer Flanke springt Daferner entscheidend zum Ball – auch, wenn er seinen Körper mit aller Wucht gegen Kwadwo einsetzt – und erzielt ein Tor. Der Einsatz mit dem Körper ist regelgerecht, auch die Arme von Daferner sind im grünen Bereich, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, den Zweikampf laufen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen.

Szene 2: Bei einem Konter wird Julian Guttau (1860) von Niklas Hauptmann (Dresden) kurz vor dem Strafraum gestoppt. Winter lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 41:50]

Babak Rafati: Guttau legt sich den Ball mit hoher Geschwindigkeit an Hauptmann vorbei, dieser kann ihn nur durch ein Foulspiel stoppen, indem er sich in den Laufweg stellt und sich sogar nach vorne beugt, um mit aller Macht Guttau am Weiterlaufen zu hindern. Das ist keine Frage von „Der kann sich nicht in Luft auflösen“, vielmehr liegt ein bewusstes Stoppen des Gegenspielers vor, sodass es sich um ein Foulspiel handelt. Somit hätte es einen Freistoß geben müssen. Zudem wäre Guttau durch und hätte eine klare Torchance, sodass eine Notbremse vorliegt und Hauptmann deshalb die rote Karte hätte sehen müssen. Der Verteidiger hinter Guttau sowie der Torhüter hätten nicht mehr entscheidend eingreifen können. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und das Vergehen nicht zu ahnden.

Szene 3: Nach einem Freistoß wird Mika Baur (Dresden) von Sean Dulic (1860) am Fuß getroffen. Kein Elfmeter, sagt der Schiedsrichter. [TV-Bilder – ab Minute 55:50]

Babak Rafati: Baur schießt auf das Tor. Dulic kommt etwas zu spät und erwischt seinen Gegenspieler mit der offenen Sohle am Fuß. Das ist ein Foulspiel, auch wenn der Angreifer bereits abgeschlossen hat, sodass es einen Elfmeter sowie die gelbe Karte gegen Dulic hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und das Vergehen nicht zu ahnden.

Szene 4: Bei einer Ecke geht Leroy Kwadwo (München) im Strafraum bei einem Zweikampf mit Lars Bünning (Dresden) zu Boden und bleibt liegen. Das Spiel läuft weiter, direkt danach fällt das 3:1. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Der Zweikampf von Brünning gegen Kwadwo ist handelsüblich, denn er hat zwar den Arm am Gegenspieler, aber es liegt kein Schlag oder Stoß vor, sodass der Verteidiger den Kontakt dankend annimmt und leicht zu Boden geht. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen. So etwas würde man auf der anderen Seite auch nicht abpfeifen und einen Elfmeter geben.

Szene 5: Im Strafraum bekommt Andi Hoti (Dresden) den Ball nach einem Schuss von Soichiro Kozuki (1860) an den Arm, Winter gibt Elfmeter für 1860. [TV-Bilder – ab Minute 4:25]

Babak Rafati: Der Arm von Hoti ist nach dem Schuss von Kozuki weit über dem Kopf und sieht nicht nach einer normalen Körperhaltung aus. Somit ist es ein strafbares Handspiel. Eine richtige Entscheidung, den Elfmeter zu geben.

 

Szene 6: Nach einer Flanke wird FCS-Keeper Philip Menzel (Saarbrücken) im Strafraum von Luc Ihorst (Unterhaching) bedrängt und kann den Ball nicht festhalten. Anschließend trifft Ihorst zum 1:0, Schiedsrichter Kevin Behrens gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball springen Keeper Menzel und Gegenspieler Ihorst zum Ball hoch, dabei kommt es zum Körperkontakt. Allerdings ist der Einsatz des Angreifers ballorientiert und somit liegt kein Foulspiel vor. Diese Regelung, dass der Torhüter nicht bedrängt werden darf, liegt viele Jahre zurück und galt zudem nur für den Torraum, Diese Aktion ist sogar außerhalb des Fünfers, sodass dort der Torwart schon immer bedrängt werden durfte, solange kein Foulspiel vorliegt. Somit eine richtige Entscheidung, den Zweikampf laufen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen

Szene 7: Im Strafraum geht Maurice Multhaup (Saarbrücken) gegen Tim Knipping (Unterhaching) zu Boden, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 45:40]

Babak Rafati: Knipping spielt in dieser Situation leicht den Ball und trifft keinesfalls Gegenspieler Multhaup. Dieser tritt ins Leere, verstolpert selbst ein wenig und kommt dadurch zu Fall. Eine richtige Entscheidung, weiterspeilen zu lassen.

Szene 8: Stefan Feiertag (Saarbrücken) kommt im Strafraum bei einem Zweikampf mit Manuel Stiefler (Unterhaching) zu Fall, erneut gibt Behrens keinen Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 1:25:20]

Babak Rafati: Feiertag legt sich den Ball im Strafraum vor, dabei kommt Stiefler etwas zu spät, trifft statt des Balls das Bein von Feiertag und bringt ihn zu Fall. Das ist ein Foulspiel, sodass es einen Elfmeter hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben.

 

Szene 9: Benno Dietze (Rostock) geht mit dem Ellenbogen in einen Zweikampf mit Arianit Ferati (Mannheim) und trifft ihn im Gesicht. Eine Karte sieht er von Schiedsrichter Timo Gansloweit nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Mittelfeld schlägt Dietze mit dem Ellenbogen in das Gesicht von Ferati. Dieser Schlag ist mehr als nur ein Fernhalten vom Ball und nimmt billigend die Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers in Kauf. Es hätte hierfür die rote Karte geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, diese nicht zu zeigen.

Szene 10: Bei einem Zweikampf mit King Manu (Rostock) verletzt sich Arianit Ferati (Mannheim) und muss vom Platz. Eine Karte zeigt Gansloweit nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]

Babak Rafati: Manu spielt in dieser Szene klar den Ball. Ferati kommt etwas zu spät in den Zweikampf und verletzt sich, obwohl kein Foulspiel vorliegt. Er geht hierbei selbst in die Richtung der Füße von Manu und wird womöglich von Manus Fuß getroffen worden sein, wobei Manu zuvor mit seinem Bein den Ball gespielt hatte und das Bein noch in der Aktion und Bewegung und keinesfalls zum Gegner geführt ist. In dieser Szene keine Karte zu zeigen ist eine richtige Entscheidung, zumal noch nicht einmal ein Foulspiel vorliegt.

Szene 11: Ryan Naderi (Rostock) tritt in den Rasen, der Schiedsrichter will jedoch ein Foulspiel gesehen haben und entscheidet auf Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 3:45]

Babak Rafati: Beim Schussversuch von Naderi wird dieser zwar leicht vom Gegenspieler am Bein touchiert, allerdings passiert dieses leichte Touchieren auch nur, weil er selbst zum Schuss ausholt und selbstverschuldet den Kontakt auslöst. Der Verteidiger macht überhaupt gar nichts beziehungsweise stellt nicht den Fuß zwischen Ball und Beine von Naderi, vielmehr will er zum Ball. Danach tritt Naderi in den Boden und kommt zu Fall. Das ist natürlich kein Foulspiel, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, auf Elfmeter zu entscheiden.

 

Szene 12: Im Strafraum will Mael Corboz (Bielefeld) zum Ball, geht aber gegen Ali Loune (Aue) zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichterin Fabienne Michel. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]

Babak Rafati: Beim Abwehrversuch ist Loune vor Corboz am Ball und spielt diesen sauber mit dem Fuß. Gleichzeitig kommt es im Oberkörperbereich natürlich zum Kontakt. Dieser ist allerdings auch regelgerecht, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben.

Szene 13: Maxim Burghardt (Aue) kommt nach einer Kopfball-Verlängerung an den Ball und trifft zum 1:2. Bielefeld reklamiert Handspiel, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 3:40]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball nimmt Burghardt den Arm heraus, um an den Ball zu kommen, was ihm auch gelingt. Anschließend schießt er ein Tor. Dieser Armeinsatz ist absichtlich und zugleich unsportlich, sodass es einen Freistoß für Bielefeld sowie die gelbe Karte gegen Burghardt hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer anzuerkennen. Selbst, wenn der Armeinsatz von Burghardt nicht absichtlich gewesen wäre, hätte der Treffer nicht zählen dürfen, da eine Unmittelbarkeit vorliegt, das heißt Handspiel – wohlgemerkt wenn auch unabsichtlich – und anschließende Torerzielung durch den gleichen Spieler.

 

Szene 14: Nach Vorlage von Sidny Lopes Cabral trifft Lex-Tyger Lobinger zum 2:1 für Köln. Aachen reklamiert Abseits, Schiedsrichter Leonidas Exuzidis gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Beim Zuspiel von Cabral scheint Lobinger knapp in Abseitsposition gestanden zu haben, wobei die endgültige Entscheidung darüber nicht zweifelsfrei vorgenommen werden kann. Ob das Knie oder die Fußspitze des Angreifers im Abseits ist oder nicht, könnte nur die kalibrierte Linie, die wir aus der Bundesliga kennen, auflösen.

 

Szene 15: Sebastian Grönning (Ingolstadt) wird im Strafraum von VfB-Keeper Dennis Seimen zu Fall gebracht, es gibt Elfmeter. Schiedsrichter Nico Fuchs belässt es aber bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Das Foulspiel von Keeper Seimen ist unstrittig. Auch, dass die Aktion vom Keeper nur gegnerorientiert ist, denn er hat überhaupt keine Chance mehr, an den Ball zu kommen. Der Schiedsrichter wird sich aber womöglich gedacht haben, dass Chase noch hätte eingreifen können. Im normalen Ablauf sieht man aber sehr gut, dass Grönning eine klare Torchance verwehrt wird und der Verteidiger eben nicht mehr hätte eingreifen können. Somit hätte es die rote Karte gegen den Keeper geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt.

Szene 16: Im Strafraum bekommt Anrie Chase (Stuttgart II) den Ball nach einem Schuss von Simon Lorenz (Ingolstadt) an den Arm, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 2:55]

Babak Rafati: Chase bekommt aus kurzer Entfernung den Ball an den Arm. Weil er kurz zuvor den Arm bewegt, um einen Schritt nach vorne zu machen, ist diese Bewegung absolut natürlich, zumal der Arm nicht für eine Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt wird. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, dieses Handspiel nicht als absichtlich und als strafbar auszulegen.

Szene 17: Eine Flanke von Leny Meyer (Stuttgart II) bringt Thomas Kastanaras (Stuttgart II) Im Tor unter, Fuchs entscheidet jedoch auf Abseits. [TV-Bilder – ab Minute 1:54:55]

Babak Rafati: Beim Zuspiel von Meyer auf Mitspieler Kastanaras scheint dieser knapp in Abseitsposition zu stehen. Das kann man gut an den Rasenmarkierungen erkennen, sodass die Abseitsentscheidung tendenziell richtig sein müsste. Der Assistent steht nur ein wenig versetzt, sodass er keinen idealen Blick zum Geschehen hat. Er müsste idealerweise auf der Linie der zweiten Rasenmarkierung stehen.

 

Szene 18: Auf Vorlage von Patrick Kammerbauer trifft Berkan Taz zum 1:1 für Verl, Schiedsrichter Martin Wilke entscheidet jedoch auf Abseits. [TV-Bilder – ab Minute 1:36:25]

Babak Rafati: Anhand der vorliegenden TV-Bilder kann die Szene nicht zweifelsfrei aufgelöst werden, aber tendenziell scheint die Entscheidung richtig zu sein, dass Taz zum Zeitpunkt des Abspiels von Mitspieler Kammerbauer knapp im Abseits steht.

 

Szene 19: Für ein vermeintliches Foul an Dave Gnaase (Osnabrück) sieht Noel Aseko Nkili (Hannover II) von Schiedsrichter Luca Jürgensen die gelb-rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf ist Nkili vor Gnaase am Ball und spielt zuerst das Spielgerät, sodass kein Foulspiel von ihm vorliegt. Gnaase kommt dann einen Moment zu spät und trifft selbst Nkili auf den Fuß, sodass ein Foulspiel von Gnaase vorliegt und nicht – wie vom Schiedsrichter fälschlicherweise wahrgenommen – von Nkili. In dieser Szene hätte es wenn überhaupt einen Freistoß für Nkili geben müssen und folglich auch keine gelbe Karte gegen ihn gezeigt werden dürfen, die auch noch zu einer gelb-roten Karte führt. Eine Fehlentscheidung, diesen Zweikampf so auszulegen.

 

Szene 20: Bei einer Ecke geht Niklas Lang (Sandhausen) bei einem Duell mit Michael Eberwein (Dortmund II) im Strafraum zu Boden, zunächst läuft das Spiel weiter. Nachdem der Ball dann über die rechte Seite von Lührs auf Ben Hüning (Dortmund II) gespielt wird, entscheidet Schiedsrichter Cristian Ballweg auf Abseits und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 25:30]

Babak Rafati: Nach einem Duell am Fünfer zwischen Eberwein und Lang lässt der Schiedsrichter zunächst weiterspielen. Lang bleibt am Boden liegen. Sicherlich wäre es möglich gewesen, bei dieser Szene auf Stürmerfoul zu entscheiden. Aber der Schiedsrichter winkt ab und lässt weiterspielen. Nachdem der Ball aus der Gefahrenzone geklärt wird, kommt er ins Mittelfeld zurück und wird auf die rechte Seite in den Strafraum geflankt. Lang liegt dabei immer noch am Boden. Daraufhin hebt der Assistent die Fahne und legt die Abseitsregel so aus, als wäre der verletzte Spieler am Boden gar nicht im Spiel. Das ist eine Fehlentscheidung.

Regeltechnisch hätte der Schiedsrichter die Möglichkeit gehabt, wenn er der Meinung ist, dass eine ernsthafte Verletzung vorliegt, das Spiel, als der Ball im Mittelfeld war, zu unterbrechen und eine Verletzungsbehandlung zuzulassen. Solange das aber nicht der Fall ist, zählt ein verletzter Spieler zum Spiel. Das hat den einfachen Grund, dass sich Verteidiger sonst einfach auf den Boden schmeißen und eine Verletzung vortäuschen könnten, um dann den Angreifer in Abseitsposition zu stellen. Das kann aber nicht im Sinne der Regel sein. Hier hat der Assistent entweder ein Blackout gehabt oder den Verteidiger nicht gesehen, was ich mir nicht vorstellen kann oder aber auch die Regel nicht auf dem Schirm gehabt. Der Schiedsrichter hätte aber auch den Assistenten umstimmen müssen, da diese Regelauslegung offensichtlich falsch ist. Das Tor hätte schlussendlich zählen müssen.

 

 

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button