Strittige Szenen am 25. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Die nicht gegebenen Elfmeter für Duisburg, Zwickau, Kaiserslautern und Halle, der zweite Strafstoß für Dortmund II, die Elfmeter für Köln, Mannheim und Havelse, der verwehrte Treffer von Freiburg II, das 2:1 für Berlin, das 1:1 für Saarbrücken sowie Foulspiele von Behrendt und Ihorst. Am 25. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 13 strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Einen Schuss von Moritz Stoppelkamp (Duisburg) bekommt Franz Pfanne (Dortmund II) im Strafraum an den Arm, Schiedsrichter Patrick Schwengers lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 28:40]
Babak Rafati: Bei einer Stoppelkamp-Flanke von der rechten Seite bekommt Pfanne den Ball womöglich an den Arm, der allerdings am Körper angelegt ist. Somit ist ein mögliches Vergehen nicht strafbar. Der Schiedsrichter signalisiert sofort und unmissverständlich, dass er die Aktion gesehen hat und fordert die Spieler mit seiner Gestik durch ausgestreckte Arme auf, weiterzuspielen. Eine richtige Entscheidung mit einer sehr guten Außenwirkung, bei der alle beteiligten wissen, woran sie bei der Handspielauslegung sind.
Szene 2: Im Mittelfeld bleibt Marvin Knoll (Duisburg) nach einem Zweikampf mit Ted Tattermusch (Dortmund II) liegen. Das Spiel läuft weiter, und aus dem Angriff des BVB entsteht ein Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 1:18:05]
Babak Rafati: Zunächst einmal liegt beim Zweikampf im Mittelfeld zwischen Knoll und Tattermusch kein Foulspiel vor, sondern ein unglücklicher Zusammenprall, sodass es richtig ist, weiterspielen zu lassen. Anschließend bleibt Knoll am Boden liegen und Duisburg in Ballbesitz. Als die Dortmunder den Ball abfangen und einen Gegenangriff einleiten, hätte der Schiedsrichter eine gute Gelegenheit, das Spiel zu unterbrechen, um Knoll behandeln zu lassen. Er lässt jedoch weiterspielen, und aus dem Gegenangriff resultiert ein berechtigter Elfmeter für Dortmund. Das Regelwerk sieht vor, dass bei Verletzungen der Spieler der Schiedsrichter entscheiden soll, ob eine ernsthafte Verletzung vorliegt oder nicht, um anschließend das Spiel zu unterbrechen. In dieser Szene ist der Schiedsrichter der Meinung, dass das nicht der Fall ist und lässt das Spiel daher weiterlaufen. Von einem Fehler bei dieser Auslegung kann nicht die Rede sein, allerdings wäre es optimal, wenn er das Spiel noch im Mittelfeld, als die Dortmunder den Ball abgefangen hatten, unterbrochen hätte. Dann hätte es überhaupt keine Diskussionen gegeben. So bleibt immer ein fader Beigeschmack, ohne dass ein Schiedsrichter-Fehler vorliegt. Das erschwert dem Schiedsrichter die weitere Spielleitung, weil die Akteure eine "Wiedergutmachung" erwarten.
Szene 3: Im Strafraum geht Ronny König (Zwickau) gegen René Klingenburg (Kaiserslautern) zu Fall, Schiedsrichter Martin Speckner lässt weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 1:43:00]
Babak Rafati: König wird im gegnerischen Strafraum angespielt und ist dabei mit dem Rücken zum Tor postiert. Klingenburg steht hinter ihm und will verteidigen. Beide haben die Hände am Trikot des anderen und bearbeiten sich gegenseitig. Nachdem sich König seitlich zum Tor gedreht hat, kommt er zu Fall. Dieser Zweikampf ist allerdings branchenüblich, sodass kein Foulspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen. Das sind genau diese "cheap penalties", die beim Lehrgang angesprochen wurden und nicht gepfiffen werden sollen.
Szene 4: Daniel Hanslik (1. FC Kaiserslautern) geht im Strafraum bei einem Duell mit Marius Hauptmann (Zwickau) zu Fall. Die Pfeife des Schiedsrichters bleibt stumm. Anschließend rollt sich Hanslik zurück ins Feld, was aber nicht geahndet wird. [TV-Bilder – ab Minute 1:53:05]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im eigenen Strafraum in der Nähe der Torlinie zieht Hauptmann das Bein im letzten Moment zurück. Dennoch kommt es noch zu einer Berührung, wodurch Hanslik zu Fall geht. Die entscheidende Frage dabei ist, ob diese Berührung tatsächlich ursächlich für das Zufallkommen von Hanslik ist oder diese nur zum Anlass genommen wird, um einen Elfmeter herauszuholen. Für mich reicht dieser Kontakt nicht aus, um einen Elfmeter zu geben. Somit eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen. Das anschließende Rollen von Hanslik ins Feld zurück stellt kein Vergehen dar, so dass der Schiedsrichter richtigerweise nichts unternimmt. Auch ist dieses "Spielchen" nur ein Indiz dafür, dass er selbst genau weiß, was passiert ist.
Szene 5: Nach einer Ecke für Freiburg II pfeift Schiedsrichter Tom Bauer ein Stürmerfoul von Robert Wagner an Köln-Keeper Elias Bördner, sodass der Treffer zum 2:0 nicht zählt. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]
Babak Rafati: Bei dieser Aktion springt Keeper Bördner nach einer Ecke zum Ball und will das Spielgerät klären. Dabei wird er von seinem eigenen Mitspieler unterlaufen, kommt deshalb nicht richtig an den Ball und anschließend zu Fall. Vom angreifenden Gegenspieler, der in dieser Szene auch involviert ist, geht überhaupt kein Impuls aus, sodass dieser den Torwart überhaupt nicht bedrängt oder gar foult. Somit hätte der anschließende Treffer für Freiburg zählen müssen. Eine Fehlentscheidung, diesem Treffer die Anerkennung zu verweigern.
Szene 6: Im Strafraum springt Julius Tauriainen (Freiburg II) der Ball nach einem Zweikampf mit Florian Heister (Köln) an die Hand, Bauer gibt Elfmeter für Köln. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum schiebt Heister seinen Gegenspieler Tauriainen ein wenig von hinten weg, sodass der Verteidiger aus dem Gleichgewicht kommt und sich erst einmal wieder orientieren muss. Dabei springt ihm der Ball an den Arm, ohne dass er das Spielgerät sieht. Das Schieben des Angreifers ist sicherlich grenzwertig, sodass man den Einsatz laufen lassen kann. Allerdings ist das anschließende Handspiel von Tauriainen nicht absichtlich, sondern der Tatsache geschuldet, dass er in Bedrängnis gebracht wird und ein wenig herumirrt. Entsprechend liegt keine Absicht vor, den Elfmeter für Köln hätte es somit nicht geben dürfen. Eine Fehlentscheidung, diesen trotzdem zu pfeifen.
Szene 7: Nach einem Zweikampf zwischen Fridolin Wagner (Mannheim) und Enes Küc (Berlin) gibt Schiedsrichter Sven Waschitzki Freistoß für Berlin, aus dem das 2:1 fällt. [TV-Bilder – ab Minute 51:10]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf kurz vor dem Strafraum von Mannheim versucht Küc den Ball mit dem Körper zu blockieren, Gegenspieler Wagner kann aber trotzdem den Ball vom Fuß des Angreifers entscheidend wegspitzeln. Erst danach bleibt Küc selbst am Fuß des Verteidigers, mit dem der Ball kurz zuvor gespielt wurde, hängen und kommt damit selbstverschuldet zu Fall. Somit liegt kein Foulspiel vor. Eine Fehlentscheidung, diesen Freistoß für Berlin zu pfeifen. Gerade in Zeiten, in denen die Spiele sehr eng sind und diese durch Standards entscheiden werden können, sollte sich ein Schiedsrichter sowohl bei Elfmetern wie auch bei Freistößen in Tornähe sehr sicher sein, dass ein Foulspiel vorliegt, bevor er ein Vergehen pfeift.
Szene 8: Im Strafraum geht Marco Höger (Mannheim) bei einem Zweikampf mit Cebrails Makreckis (Berlin) zu Fall, Waschitzki zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]
Babak Rafati: Makreckis legt den Ball im eigenen Strafraum an Höger vorbei und will an diesem vorbeilaufen. Allerdings stellt sich Höger in den Weg, sodass Makreckis in Bedrängnis kommt und sich nur noch behaupten kann, in dem er Höger kurz und ansatzlos festhält und zu Boden reißt. Eigentlich ist die Aktion völlig unnötig, da der Ball ein paar Meter weit entfernt ist. Höger wiederum nimmt diese Aktion dankend an und kommt zu Fall. Eine vertretbare Entscheidung, diesen Elfmeter für Mannheim zu pfeifen, auch wenn nicht jeder Schiedsrichter so entscheiden wird.
Szene 9: Ein Ellenbogen-Check von Brian Behrendt (Braunschweig) gegen Marcel Bär (1860) im Mittelfeld bleibt von Schiedsrichter Nicolas Winter ungeahndet. [TV-Bilder – ab Minute 25:10]
Babak Rafati: Bei einem Laufduell zwischen Behrendt und Bär setzt Behrendt den Ellenbogen aktiv ein, holt kurz aus, trifft Bär im Halsbereich und bringt ihn zu Fall. Das ist ein Foulspiel. Für diesen rücksichtslosen Einsatz hätte es die gelbe Karte gegen Behrendt geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen und das Vergehen ungeahndet zu lassen. Ein Schlag ist das jedoch nicht, was zur roten Karte geführt hätte. Die Szene ist allerdings für den Schiedsrichter auch sehr schwer zu sehen, da er zwar in der richtigen Position ist, sich aber hinter den beiden Spielern befindet und ihm das Vergehen deshalb entgeht.
Szene 10: Für ein rüdes Foul an Niklas Lang (1860) kommt Luc Ihorst (Braunschweig) mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 2:04:10]
Babak Rafati: An der Seitenlinie schlägt Lang den Ball weit nach vorne. Dabei kommt Ihorst angelaufen, grätscht in die Füße seines Gegenspielers und bringt ihn zu Fall. Der Einsatz von Ihorst ist schon sehr intensiv, allerdings trifft er ihn nicht mit dem ausgestreckten Fuß, sondern räumt ihn durch den Einsatz mit dem Nachziehbein ab. Daher ist die gelbe Karte noch vertretbar. Hätte Ihorst seinen Gegenspieler mit dem ausgestreckten Fuß getroffen, wäre es ein Einsatz, der die Gesundheit des Gegenspielers gefährdet und die rote Karte zur Folge hätte.
Szene 11: Im Strafraum will Luca Stellwagen (Verl) klären, trifft aber nur Michael Eberwein (Halle) und bringt ihn zu Fall. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Christian Ballweg. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]
Babak Rafati: Im Strafraum gehen Stellwagen und Eberwein zum Ball. Dabei will Stellwagen den Ball klären, jedoch ist Eberwein schneller am Ball und "pflückt" den Ball herunter, sodass Stellwagen nur noch den Fuß des Angreifers trifft und ihn klar zu Fall bringt. Das ist ein Foulspiel, und somit hätte es einen Elfmeter für Halle geben müssen. Eine Fehlentscheidung, den fälligen Elfmeter nicht zu pfeifen.
Szene 12: Nach einer Ecke köpft Manuel Zeitz zum 1:1 für Saarbrücken ein, stützt sich dabei aber bei Marvin Stefaniak (Würzburg) auf. Schiedsrichter Patrick Kessel gibt den Treffer dennoch. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]
Babak Rafati: Nach einer Ecke steigt Zeitz hoch zum Kopfball, stützt sich bei Stefaniak auf und lässt ihm keine Chance, zum Kopfball hoch zu steigen. Auch wenn laut FIFA-Anweisung das Offensivspiel gefördert werden soll, indem Zweikämpfe soweit wie möglich zugelassen werden sollen, liegt in dieser Szene ein Foulspiel vor, sodass es einen Freistoß für Würzburg hätte geben müssen. Das anschließende Tor für Saarbrücken hätte somit nicht zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer dennoch zu geben.
Szene 13: Einen Schuss von Julius (Havelse) bekommt Jeron Al-Hazaimeh (Meppen) beim Fallen im Strafraum an den Ellenbogen. Schiedsrichter Florian Lechner gibt Elfmeter für Havelse. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]
Babak Rafati: Langfeld schießt auf das gegnerische Tor. Dabei schmeißt sich Al-Hazaimeh in den Schuss des Angreifers, um den Ball zu blocken. Beim Hinschmeißen vor den Ball streckt er das Bein heraus, und gleichzeitig schwingt der Arm durch den normalen Bewegungsablauf in natürlicher Haltung zum Ball. Er bekommt schließlich den Ball aus kurzer Entfernung an den Arm geschossen. Also liegt kein absichtliches, respektive strafbares Handspiel vor. Somit eine Fehlentscheidung, diesen Elfmeter zu pfeifen.
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