Strittige Szenen am 26. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das 1:0 von Osnabrück, die Elfmeter für Cottbus, Osnabrück und Ingolstadt, der verwehrte Treffer von 1860, die nicht gegebenen Elfmeter für 1860, Dresden (2), Wiesbaden und Köln, das 2:0 von Dresden, das 2:0 von Aue sowie ein Foulspiel von Sulejmani. Am 26. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 13 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Auf Vorlage von Niklas Kölle trifft Marius Müller zum 1:0 für Osnabrück. Cottbus reklamiert Abseits, Schiedsrichter Yannick Rupert gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt der Flanke von Kölle steht Mitspieler Müller in Abseitsposition, was von der Seite für den Assistenten eigentlich gut erkennbar ist. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass der Ball nach der Flanke noch von einem Cottbuser Verteidiger abgefälscht wird. Da es kein kontrolliertes Zuspiel ist, wird die Abseitsposition nicht durch die letzte Berührung des Verteidigers aufgehoben. Somit hätte der Treffer wegen dieser vorliegenden Abseitsposition nicht zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer trotzdem anzuerkennen.

Szene 2: Im Strafraum bekommt Niklas Niehoff (Osnabrück) den Ball beim Grätschen gegen Maximilian Krauß (Cottbus) an den Arm, Rupert gibt Elfmeter für Cottbus. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]

Babak Rafati: Nach einer Flanke von Krauß im Strafraum grätscht Niehoff zum Ball und bekommt diesen beim Abwehrversuch an den Arm. Allerdings ist der Arm in natürlicher Haltung und wird nicht für eine Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt. Somit liegt kein absichtliches Handspiel vor, das strafbar wäre. Eine Fehlentscheidung dennoch, in dieser Szene auf Elfmeter zu entscheiden. Der Schiedsrichter zögert auch ein wenig und bekommt dann womöglich den Impuls vom Assistenten.

Szene 3: Tolcay Cigerci (Cottbus) grätscht auf der Strafraumgrenze gegen Niklas Niehoff (Osnabrück), der Schiedsrichter zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf grätscht Cigerci mit dem Bein zum Ball, verfehlt aber das Spielgerät. Die Grätsche verfehlt zunächst auch den Fuß von Gegenspieler Niehoff. Allerdings zieht Cigerci das Bein, mit dem er zunächst gegrätscht hat, nochmals nach oben und trifft Niehoff beim zweiten Versuch am linken Fuß und bringt ihn dadurch zu Fall, sodass ein Foulspiel vorliegt. Das Foulspiel findet auf der Strafraumlinie statt, sodass die Elfmeterentscheidung richtig ist. Stark vom Schiedsrichter, diese knappe Situation an der Strafraumgrenze richtig einzuordnen und auf Elfmeter zu entscheiden.

 

Szene 4: Bei einem Zweikampf mit Philipp Maier (1860) fährt Valmir Sulejmani (Hannover II) den Arm aus und trifft seinen Gegenspieler. Eine Karte sieht er von Schiedsrichter Felix Weller nicht. [TV-Bilder – ab Minute 17:45]

Babak Rafati: Bei diesem Luftduell stößt Maier seinen Gegenspieler Sulejmani ein wenig von hinten in den Rücken, was aber noch kein Foulspiel ist. Daraufhin will sich Sulejmani ein wenig befreien, schlägt mit dem Arm nach hinten und trifft seinen Gegenspieler gegen den Nacken – auch, wenn sich Maier ins Gesicht fasst. In dieser Szene hätte es für dieses Nach-Hinten-Schlagen die gelbe Karte geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, gar keine Karte zu zeigen. Eine rote Karte wäre nicht angebracht gewesen, da der Treffer nicht so schlimm ausfällt. Ein Gesichtstreffer wäre sicherlich rotwürdig gewesen.

Szene 5: Nachdem 96-Keeper Wechsel den Ball nach einer Ecke nicht festhält, köpft Jesper Verlaat das Spielgerät ins Tor, trifft dabei aber Philipp Maier, der hinter der Linie steht. Weller entscheidet auf Abseits. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Nachdem Verlaat den Ball auf das Tor geköpft hatte, will Mitspieler Maier nicht ins Spielgeschehen eingreifen, bleibt unbeteiligt mit dem Rücken zum Spielfeld stehen und bekommt den Ball von Verlaat an den Rücken geköpft. Zu dem Zeitpunkt des Kopfballs steht er auf der Torlinie. Und auch wenn er nicht ins Spielgeschehen eingreifen möchte, tut er das automatisch dadurch, dass er den Ball an den Rücken bekommt. Dadurch wird aus dem passiven ein aktives Abseits. Somit steht er in einer strafbaren Abseitsposition. Daher liegt eine richtige Entscheidung vor, auf Abseits zu entscheiden und das Tor nicht anzuerkennen. (Anmerkung der Reaktion: Die Bewertung der Szene wurde nach Veröffentlichung des Artikels nochmal angepasst).

Szene 6: Eric Uhlmann (Hannover II) will den Ball im Strafraum klären, schießt sich diesen aber an den eigenen Arm. Das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:41:00]

Babak Rafati: Bei diesem Abwehrversuch von Uhlmann liegt ein klares Handspiel vor, allerdings schießt sich Uhlmann den Ball an den Arm. Dabei ist aber entscheidend, ob der Arm vorher zur Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt wird oder nicht. Diese Frage kann man klar verneinen, denn der Arm ist in natürlicher Haltung, sodass dieses Handspiel nicht strafbar ist. Eine vollkommen richtige Entscheidung des Schiedsrichters, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben.

 

Szene 7: Auf dem Weg in Richtung Tor geht Mika Baur (Dresden) im Strafraum gegen Yari Otto (Verl) zu Fall, Schiedsrichter Nico Fuchs lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:22:00]

Babak Rafati: Baur legt sich den Ball im Strafraum an Gegenspieler Otto vorbei. Dieser nimmt das Bein heraus und lässt Bauer über dieses Bein zu Fall kommen. Das ist ein Foulspiel, und hätte einen Elfmeter geben müssen. Auch das Fallmuster ist typisch für ein Foulspiel. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben.

Szene 8: Im Mittelfeld kommt Berkan Taz (Verl) im Duell mit Tony Menzel (Dresden) zu Fall und bleibt liegen, das Spiel läuft weiter. Aus dem Angriff fällt das 2:0. [TV-Bilder – ab Minute 1:27:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf ist nicht zweifelsfrei erkennbar, ob Menzel tatsächlich Gegenspieler Taz trifft, der dann zu Fall kommt. Ein kleiner Kontakt könnte vorgelegen haben, aber wenn es beim vielleicht bleibt, lässt ein Schiedsrichter eben weiterlaufen. Es könnte auch sein, dass Taz erkennt, dass er sich den Ball etwas zu weit vorgelegt hat, ein weiterer Dresdner Spieler an den Ball kommt und das Spielgerät klärt, und sich deshalb fallen lässt. Weiterspielen zu lassen ist nachvollziehbar, da kein Foulspiel zweifelsfrei erkennbar ist.

Szene 9: Niklas Hauptmann (Dresden) geht im Strafraum bei einem Duell mit Tom Baack (Verl) zu Boden. Erneut zeigt Fuchs nicht auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:31:30]

Babak Rafati: Zunächst einmal liegt keine Abseitsposition von Hauptmann vor, da ein Verteidiger diese am linken Strafraumeck aufhebt. Anschließend kommt es zu einem Zweikampf, bei dem Baack hinter Hauptmann ist und keine Chance mehr hat, an den Ball zu kommen. Er gibt ihm daraufhin nur einen Stoß von hinten in den Rücken, was ausreicht, um diesen aus der Balance und schließlich zu Fall zu bringen. Das ist ein Foulspiel, das einen Elfmeter nach sich ziehen muss. Zudem ist die Aktion nur gegnerorientiert. Hauptmann hat eine große Torchance, sodass es in dieser Szene obendrein die rote Karte hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und das Vergehen nicht zu ahnden.

 

Szene 10: Eine Flanke von Ivan-Leon Franjic (Wiesbaden) bekommt Marvin Stefaniak (Aue) im Strafraum an den Arm, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Patrick Schwengers nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]

Babak Rafati: Nach einer Flanke von Franjic nimmt Gegenspieler Stefaniak den Arm unnatürlich heraus und klärt den Ball mit diesem Arm zur Ecke. Somit liegt ein absichtliches Handspiel vor, sodass es einen Elfmeter hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den fälligen Elfmeter nicht zu geben.

Szene 11: Auf Vorlage von Mika Clausen trifft Marvin Stefaniak zum 2:0 für Aue. Wiesbaden reklamiert Abseits, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Abspiels von Clausen steht Stefaniak im Abseits, sodass das Tor wegen einer Abseitsposition nicht hätte zählen dürfen. Das kann man sehr gut daran erkennen, dass die Distanz von Stefaniak kürzer zur Rasenmarkierung ist, als die des Verteidigers. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, diesen Treffer zu geben.

 

Szene 12: Im Strafraum geht Ryan Malone (Ingolstadt) gegen Jeremias Lorch (Sandhausen) zu Fall. Schiedsrichter Dr. Max Burda gibt Elfmeter für Ingolstadt. [TV-Bilder – ab Minute 3:15]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf ist Lorch zwar in der schlechteren Position, nämlich hinter Gegenspieler Malone, versetzt ihm aber auch keinen Stoß, vielmehr berührt er ihn lediglich leicht von hinten, worauf der Angreifer diesen Kontakt dankend annimmt und zu Fall geht. Im Fußbereich liegt auch kein Vergehen vor. Anhand des Fallmusters erkennt man zudem auch sehr gut, dass gar kein Foulspiel vorgelegen haben kann, da sich der Angreifer nur nach vorne wirft und zu Fall geht. Das ist aber kein Foulspiel, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, auf Elfmeter zu entscheiden. Diese sogenannten “soft-penaltys“ will man eigentlich beim DFB nicht sehen.

 

Szene 13: Nach einem Gewühl im Strafraum geht Lars Dietz (Köln) im Duell mit Stefan Feiertag (Saarbrücken) zu Boden und fordert einen Elfmeter, den Schiedsrichter Timon Schulz jedoch nicht gibt. [TV-Bilder – ab Minute 1:54:25]

Babak Rafati: Bei dieser unübersichtlichen Situation ist ein Foulspiel an Dietz nicht auszumachen. Womöglich läuft er maximal selbst gegen das Standbein von Gegenspieler Feiertag und kommt dann zu Fall. Daher ist in dieser Szene weiterspielen zu lassen, eine richtige Entscheidung.

 

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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