Strittige Szenen am 28. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das 1:0 und 2:3 für Ingolstadt, die nicht gegebenen Elfmeter für Dresden, Wiesbaden und Elversberg, das Tor für Freiburg, der verwehrte Treffer von Osnabrück, der Strafstoß für Wiesbaden, die Platzverweise gegen Duisburgs Jander und Freiburgs Engelhardt, das Tor für Aue, das 1:0 für Saarbrücken sowie ein Foulspiel von Aues Danhof. Am 28. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 14 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 52-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Im Mittelfeld will Ahmet Arslan (Dresden) zum Ball, bleibt aber an Schiedsrichter Florian Badstübner hängen. Das Spiel läuft weiter. So hat Ingolstadt freie Bahn und trifft zum 1:0. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Arslan will zum Ball, allerdings steht der Schiedsrichter im Weg, wobei sein Positionsspiel nicht falsch beziehungsweise störend für die Spieler ist. Dass es dann zu diesem Umstand kommt, ist eine unglückliche Aktion und dem Schiedsrichter nicht vorzuwerfen. Auch regeltechnisch ist nichts gegen diesen Vorfall einzuwenden, dass anschließend ein Gegentreffer fällt.

Es gab zwar vor ein paar Jahren eine Regeländerung, allerdings bezieht sich diese lediglich auf eine Berührung des Balls durch den Schiedsrichter, nicht aber darauf, dass er im Weg steht. Bei der Ballberührung wiederum ist nunmehr geregelt, dass wenn der Ball von einem Spieler kommt und der Schiedsrichter das Spielgerät berührt, Folgendes passiert: Wenn der Ball nach der Berührung ins Tor geht, einen guten Angriff für die gleiche Mannschaft auslöst oder der Ballbesitz wechselt, gibt es einen Schiedsrichterball. In dieser Situation, in der das aber nicht zutrifft, sondern der Schiedsrichter lediglich im Weg steht, wird er im Fachjargon als Luft bezeichnet und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen.

Szene 2: Bei einer Ecke für Ingolstadt geht Tim Knipping (Dresden) im Strafraum zu Boden. Dynamo reklamiert Stürmerfoul, das Spiel läuft aber weiter. Direkt danach fällt das 2:3. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Nach einer Ecke kommt es zu einem Zusammenprall zwischen Knipping und seinem Mitspieler. Deshalb geht er zu Boden und nicht, weil ein Gegenspieler ihn gefoult haben könnte. Somit kein Foulspiel vor und eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 3: Niklas Hauptmann (Dresden) bringt den Ball im Strafraum auf das Tor, wird dabei aber von Donald Nduka (Ingolstadt) zu Fall gebracht. Kein Elfmeter, sagt Badstübner. [TV-Bilder – ab Minute 1:48:15]

Babak Rafati: Nachdem Hauptmann den Ball auf das Tor schießt, prallt er noch im gleichen Ausholschritt – nachdem er den Ball gespielt hat – gegen das ausgestreckte Bein von Nduka, der zuvor per Grätsche den Schuss blocken wollte. Dabei tut er sich in der Folge unglücklich weh. Die Aktion von Nduka ist aber nur ballorientiert und richtet sich nicht als regelwidriger Einsatz gegen Hauptmann, sodass kein Foulspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und keinen Elfmeter zu geben.

Szene 4: Auf dem Weg Richtung Tor geht Niklas Hauptmann (Dresden) im Strafraum nach einem Rempler von Donald Nduka (Ingolstadt) zu Boden. Badstübner lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 3:50]

Babak Rafati: Hauptmann gelangt in den Strafraum, dabei kommt es erneut zu einem Zweikampf mit Nduka. Der Verteidiger stellt aber nur den Körper in den Weg und rempelt ihn in korrekter Weise (den Begriff "korrektes Rempeln" gibt es tatsächlich), sodass kein Foulspiel vorliegt. Anders wäre es, wenn er nur gegnerorientiert checken würde, wie wir es in der Vorwoche bei dem gleichen Spieler (Nduka) gegen Keita-Ruel bei der Partie Mannheim-Ingolstadt gesehen haben. Da lag ein heftiges Rempeln bzw. Checken vor, bei dem nur der Gegner Zielscheibe war.  Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 5: Nach Vorlage von Robert Wagner trifft Vincent Vermeij zum 1:0 für Freiburg. Osnabrück reklamiert Abseits, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Zuspiels von Wagner startet Vermeij mustergültig und rechtzeitig in die Tiefe und passt den Moment genau ab, um nicht in Abseitsposition zu stehen. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen.

Szene 6: Niemann spielt einen weiten Ball auf Erik Engelhardt, der diesen aufs Tor köpft. Noah Atubolu im Freiburger Kasten kann retten, den Abstauber bringt Simakala im Tor unter. Schiedsrichter Tom Bauer entscheidet jedoch auf Abseits und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 52:05]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt der Flanke von Niemann stehen zwar zwei Osnabrücker Angreifer im Abseits, greifen jedoch nicht ins Spielgeschehen ein. Der Ball landet bei Engelhardt, der nicht in Abseitsposition steht. Anschließend köpft Engelhardt den Ball auf das Tor, sodass eine neue Spielsituation entsteht. Der Keeper kann den Ball abwehren, und das Spielgerät prallt von diesem vor die Füße von Simakala, der den Ball ins Tor schießt. Auch wenn Simakala vorher in Abseitsposition stand, war diese nicht relevant, weil er nicht in das Spielgeschehen eingriff. Nach dem Kopfball von Engelhardt entstand eine neue Spielsituation. Somit wird der Assistent den Kopfball von Engelhardt auf Simakala als Abseitsposition gewertet haben. Allerdings ist der anschließende Torschütze Simakala hinter dem Ball, maximal mit dem Ball auf gleicher Höhe, sodass auch in dieser Situation keine Abseitsposition vorliegt. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, diesen Treffer abzuerkennen.

Szene 7: Für zwei kleinere Foulspiele innerhalb weniger Minuten sieht Yannick Engelhardt (Freiburg II) jeweils Gelb und muss vom Platz. [TV-Bilder – ab Minute 1:57:15 & 2:01:20]

Babak Rafati: Beim ersten Zweikampf an der Seitenlinie stellt Engelhardt seinen Gegenspieler nur und macht keine aktive Bewegung zum Gegenspieler, sodass er kein Foulspiel begeht – auch, wenn sein Gegenspieler theatralisch zu Fall kommt. Somit ist die gelbe Karte eine Fehlentscheidung.

Bei der zweiten Aktion unterbindet Engelhardt einen guten Angriff, in dem er seinem Gegenspieler, der den Ball an ihm vorbeilegt, in die Beine tritt, daran hindert weiterzulaufen und schlussendlich zu Fall bringt. Diese gelbe Karte ist eine richtige Entscheidung. Es hätte aber erst gar nicht zu dieser gelb-roten Karte kommen dürfen, aufgrund der ersten gelben Karte, sodass insgesamt eine Fehlentscheidung vorliegt.

 

Szene 8: Im Strafraum geht Kianz Froese (Wiesbaden) im Duell mit Fridolin Wagner (Mannheim) zu Fall, Schiedsrichter Dr. Matthias Jöllenbeck lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]

Babak Rafati: Im Strafraum rutscht Wagner aus und wirft sich dabei in den Weg von Froese, um ihn noch zu stören. Hierbei liegt kein regelwidriges Verhalten vor. Dabei kann sich der Angreifer mit einem Ausfallschritt über den am Boden liegenden Verteidiger befreien, bleibt jedoch leicht mit dem Bein am Kopf von Wagner hängen. Das ist allerdings kein Foulspiel. Vielmehr nimmt der Angreifer den Kontakt dankend an und lässt sich fallen. Auch vom Fallmuster passt der Kontakt nicht zur Art und Weise des Zufallkommens. Hier wird mehr daraus gemacht, als überhaupt passiert ist. Eine richtige Entscheidung, diesen Zweikampf als regelgerecht einzustufen und das Spiel weiterlaufen zu lassen.

Szene 9: Nach einer Ecke bekommt Marten Winkler (Mannheim) den Ball im Strafraum an die Hand, es gibt Elfmeter für den SVWW. [TV-Bilder – ab Minute 3:10]

Babak Rafati: Der Ball ist nach einer Ecke lange in der Luft, und der Angreifer verpasst das Spielgerät. Der Ball geht weiter zu Winkler, dieser hat den Arm herausgefahren und bekommt ihn an den Arm. Auch wenn er sich dabei wegdreht, ist der Arm nicht in einer natürlichen Körperhaltung, vielmehr vergrößert er hiermit die Körperfläche, sodass ein absichtliches Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, diesen Elfmeter zu pfeifen.

 

Szene 10: Für Ballwegschlagen und ein Foul an Verls Mael Corboz sieht Caspar Jander (Duisburg) jeweils Gelb und muss vom Platz. Trainer Torsten Ziegner bemängelte anschließend das fehlende Fingerspitzengefühl von Schiedsrichter Felix Bickel. [TV-Bilder – ab Minute 2:19:00]

Babak Rafati: Beim Foulspiel von Jander passiert das Vergehen in die Beine des Gegners, sodass die gelbe Karte hierfür eine richtige Entscheidung ist. Für das leichte Ballwegschieben ist es regeltechnisch möglich, eine gelbe Karte zu zeigen. Allerdings sollten die Regeln mit Sinn und Verstand umgesetzt werden, wie wir Schiedsrichter selbst immer sagen. Dieses leichte Ballwegschieben vergeudet keine großartige Zeit, maximal ein paar Sekunden und ist nicht vergleichbar mit einer Aktion, bei der der Ball aus Verärgerung weggeschossen wird und womöglich die Autorität des Schiedsrichters untergräbt. Hier hätte eine Ermahnung vollkommen ausgereicht. Eine übertriebene Entscheidung, die allerdings durch das Regelwerk gedeckt ist. Somit kann ich den Unmut des Trainers absolut nachvollziehen. Das kann man mit Persönlichkeit und Kommunikation einfach besser lösen.

 

Szene 11: Nach Vorlage von Boris Tashchy scheitert Paul-Philipp Besong zunächst an Hiller, bringt dann aber den Abpraller zum 1:3 für Aue im Tor unter. 1860 reklamiert Handspiel, Schiedsrichter Konrad Oldhafer gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: Nachdem Keeper Hiller den Ball abwehren kann, bekommt Besong den Abpraller an den Arm und schießt das Spielgerät anschließend ins Tor. Auch wenn dieses Handspiel vollkommen unbeabsichtigt ist, liegt ein strafbares Handspiel vor. Wenn der Ball wie in solch einem Fall unbeabsichtigt an den Arm geht und unmittelbar (!) danach der gleiche Spieler den Ball ins Tor befördert, wird das Handspiel strafbar, sodass der Treffer nicht hätte zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer trotzdem anzuerkennen.

Szene 12: Tim Danhof (Aue) geht rüde in einen Zweikampf mit Albion Vrenezi (1860) und trifft ihn am Knöchel, kommt aber mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 39:45]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf kommt Danhof einfach zu spät, verpasst den Ball und trifft stattdessen Vrenezi in brutaler Weise am Sprunggelenk. Das ist eine Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers, und bei diesem Trefferbild muss es die rote Karte geben, nichts anderes. Eine Fehlentscheidung, es nur bei einer gelben Karte zu belassen. Das wird sich selbst der Schiedsrichter nach Ansicht der TV-Bilder eingestehen, wie ich glaube.

 

Szene 13: Nach einer Ecke trifft Marvin Cuni zum 1:0 für den FCS. Die Gäste reklamieren, dass Boné Uaferro (Saarbrücken) den Ball, nachdem er von Rios Alonso (Essen) abgeblockt wird, an die Hand bekommt. Schiedsrichter Patrick Schwengers gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Nachdem Uaferro den Ball auf das Tor schießt, blockt Alonso das Spielgerät, und von da aus prallt der Ball an den Arm von Uaferro. Anschließend gelangt der Ball zu Cuni, der ins Tor schießen kann. Das Handspiel von Uaferro ist unbeabsichtigt, sodass dieses nicht strafbar ist. Da dann ein anderer Spieler den Ball ins Tor befördert, liegt eine richtige Entscheidung vor, den Treffer anzuerkennen. Anders wäre es, wenn Cuni den Ball an die Hand bekommen hätte und unmittelbar danach den Ball ins Tor geschossen hätte, also der gleiche und selbe Spieler. Dann hätte der Treffer nicht zählen dürfen. In dieser Szene war der Sachverhalt allerdings anders, sodass alles korrekt ist.

 

Szene 14: Im Strafraum geht Robin Fellhauer (Elversberg) im Duell mit Andor Bolyki (Halle) zu Fall, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 2:00:05]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf zwischen Fellhauer und Bolyki geht alles mit rechten Dingen zu, und das Zufallkommen des Angreifers passiert im normalen Bewegungsablauf, sodass kein Foulspiel von Bolyki vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Weiterlesen: Wer bislang am häufigsten benachteiligt wurde

   

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