Strittige Szenen am 32. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Die nicht gegebenen Elfmeter für Münster, 1860, Essen, Sandhausen, Verl und Lübeck, die verlängerte Nachspielzeit in Ingolstadt, das 1:1 für Mannheim, das Tor für Köln, die Strafstöße für Dortmund II und Ulm sowie Foulspiele von Jakob und Marseiler. Am 32. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 14 strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 53-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Im Strafraum wird Dominik Steczyk (Münster) von Alexander Bittroff (Regensburg) gestoßen und geht zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Sven Jablonski nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:08:50]
Babak Rafati: Nach einer Flanke springt Steczyk zum Kopfball hoch und wird dabei von hinten von Bittroff leicht gestoßen, worauf der Angreifer zu Fall geht. Dieser leichte Stoß ist einfach zu wenig für einen Elfmeter, und der Angreifer macht zugleich mehr daraus, als es ist. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 2: Daniel Kyerewaa (Münster) kommt im Strafraum gegen Oliver Hein (Münster) zu Fall, erneut zeigt Jablonski nicht auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 2:10:50]
Babak Rafati: Kyerewaa nimmt den Ball im Strafraum an, dabei kommt Gegenspieler Hein hinzu, spielt den Ball und berührt auch leicht im normalen Bewegungsablauf den Angreifer, der diesen minimalen Kontakt dankend annimmt und sich fallen lässt. Das ist aber kein Foulspiel, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.
Szene 3: Schiedsrichter Martin Speckner zeigt eine Nachspielzeit von fünf Minuten an, gibt in der sechsten Minute der Nachspielzeit dann aber noch eine Ecke für Ingolstadt, aus der das 1:1 fällt. [TV-Bilder – ab Minute 2:20:00]
Babak Rafati: Regeltechnisch ist es möglich, die Nachspielzeit zu verlängern, wenn weitere Zeit vergeudet wird. In diesen fünf Minuten gibt es tatsächlich eine Verletzungspause in der anderen Spielhälfte und zwei Einwurf-Ausführungen, die auffällig lange dauern. Eine Einwurf-Ausführung wurde sogar wegen Zeitspiels mit einer gelben Karte geahndet. Somit eine vollkommen berechtigte Auslegung des Schiedsrichters, die Nachspielzeit von fünf auf sechs Minuten zu erhöhen.
Szene 4: Bei einem Luftzweikampf geht Markus Schwabl (Unterhaching) nach einem Duell mit Fridolin Wagner (Mannheim) zu Fall. Schiedsrichter Lukas Benen pfeift nicht, direkt danach fällt das 1:1. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]
Babak Rafati: Bei diesem Luftzweikampf drückt Wagner seinen Gegenspieler Schwabl mit einem Arm weg und gelangt somit an den Ball. Dadurch kommt Schwabl nicht mehr an das Spielgerät, da er sich bereits in der Luft befand und ein Wegschieben in der Luft ein stärkeres Ausmaß hat, als wenn ein Gegenspieler mit beiden Beinen auf dem Boden steht. Es hätte somit einen Freistoß geben müssen, sodass der anschließende Treffer nicht hätte zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, das Spiel nicht zu unterbrechen.
Szene 5: Kilian Jakob (Aue) geht mit gestrecktem Bein in einen Zweikampf mit Fabian Rüdlin (Freiburg), Schiedsrichter Timon Schulz lässt weiterlaufen. Anschließend beschwert sich der bereits verwarnte Hamadi Al-Ghaddioui (Freiburg II) und sieht dafür Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]
Babak Rafati: Der Einsatz von Jakob gegen Rüdlin erfolgt mit gestrecktem Bein, das viel zu hoch ist, sodass ein Foulspiel vorliegt, auch wenn er seinen Gegenspieler nicht berührt. Somit handelt es sich um ein gefährliches Spiel. Eine Fehlentscheidung, diese Spielweise nicht zu unterbinden. Eine gelbe Karte hierfür ist nicht erforderlich. Anschließend für das Meckern eine gelbe Karte zu zeigen, die dann auch noch einen Spieler trifft, der bereits gelb-verwarnt ist, ist äußerst unglücklich und darf einfach nicht passieren. Ursache und Wirkung werden in dieser Szene verfehlt.
Szene 6: Joel Zwarts (1860) wird im Strafraum von Lars Dietz (Köln) gehalten und geht zu Fall. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Felix Prigan. Kurz danach kommt Julian Guttau (1860) vor dem Strafraum gegen Florian Engelhardt (Köln) zu Fall, erneut läuft das Spiel weiter. [TV-Bilder – ab Minute 25:15]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf im Strafraum wird Zwarts angespielt und steht mit dem Rücken zum gegnerischen Tor. Dabei ist Dietz hinter ihm und stellt nur den Gegenspieler mit dem Körper. Das ist ein regelgerechter Einsatz. Der Angreifer lässt sich dann nur nach hinten fallen, weil er einen Kontakt von hinten spürt, der aber kein Vergehen darstellt. Eine richtige Entscheidung, auf Weiterspielen zu entscheiden.
Anschließend kommt es knapp außerhalb des Strafraumes zu einem Zweikampf zwischen Engelhardt und Guttau. Dabei richtet Engelhardt seinen Blick nur zum Ball. Guttau läuft selbstverschuldet gegen das Bein des Verteidigers und kommt daraufhin zu Fall. Auch das ist kein Foulspiel, sodass auch hier eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.
Szene 7: Nach einem Freistoß trifft Jeremias Lorch (Köln) aus dem Gewühl zum Anschluss. 1860 reklamiert Abseits, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]
Babak Rafati: Beim Schuss aus dem Strafraum Richtung Tor stehen zunächst vier Spieler von Köln im Abseits. Der Ball kommt dann unmittelbar Richtung Schultz, und Verlaat kann aber erst einmal klären. Dadurch, dass Schultz, der zum Zeitpunkt des Schusses in Abseitsposition steht und mit Verlaat in einen Zweikampf um den Ball gerät, eingreift, irritiert er den Gegenspieler und steht dadurch strafbar in Abseitsposition. In dieser Szene hätte der Assistent die Fahne heben und der Schiedsrichter das Spiel unterbrechen sollen. Eine Fehlentscheidung weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen.
Szene 8: Der bereits verwarnte Luca Marseiler (Köln) checkt Kilian Ludewig (1860) weg, wird aber lediglich ermahnt. [TV-Bilder – ab Minute 1:35:55]
Babak Rafati: Marseiler kommt einen Moment zu spät, doch das Vergehen ist nicht so schlimm, wie es im ersten Moment aussieht. Es gibt keinen Fußtreffer und auch keinen Armeinsatz, also keinen Wirkungstreffer. Es liegt lediglich ein Körpereinsatz vor, der aber im Zweikampf in dieser Form, weil nur der Körper eingesetzt wird, zwar ein Foulspiel darstellt, aber keine Karte erfordert. Eine richtige Entscheidung, Marseiler lediglich verbal zu ermahnen.
Szene 9: Einen Kopfball von Nils Kaiser (Essen) bekommt Thomas Pledl (Duisburg) im Strafraum an den Arm, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Max Burda nicht. [TV-Bilder – ab Minute 59:40]
Babak Rafati: Auch wenn der Kopfball von Kaiser aus kurzer Entfernung angeflogen kommt, nimmt Pledl den Arm aktiv mit einer Bewegung zum Spielgerät heraus und blockt dieses. Das ist ein strafbares Handspiel, sodass es einen Elfmeter hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 10: Im Duell mit Jonas Weik (Sandhausen) kommt Patrick Göbel (Dortmund II) im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Tom Bauer gibt Elfmeter für den BVB. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf liegt unumstritten ein Foulspiel von Weik gegen Göbel vor. Allerdings ist der Kontakt am linken Fuß gegen den Angreifer sehr gut erkennbar außerhalb des Strafraumes, sodass es einen Freistoß, statt eines Elfmeter hätte geben müssen. Der Schiedsrichter hat optimale Sicht und hätte das auch erkennen müssen. Eine Fehlentscheidung, dennoch einen Elfmeter zu geben.
Szene 11: Nach einem langen Einwurf geht Markus Pink (Sandhausen) im Duell mit Patrick Göbel (Dortmund II) im Strafraum zu Fall, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:51:55]
Babak Rafati: Nach dem langen Einwurf kommt es zu einem Zweikampf. Dabei schubst Göbel seinen Gegenspieler Pink einfach und unnötig weg, und das ist ein Foulspiel. Es hätte folglich einen Elfmeter geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt. Hier hat der Schiedsrichter erneut freie Sicht, ist aber vielleicht nur etwas zu weit weg, sodass ein Einrücken und eine kürzere Distanz zum Zweikampf womöglich geholfen hätten.
Szene 12: Kurz hinter der Strafraumgrenze geht Max Brandt (Ulm) bei einem Zweikampf mit Brian Behrendt (Halle) zu Fall, Schiedsrichter Konrad Oldhafer gibt Elfmeter für Ulm. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]
Babak Rafati: Brandt legt sich den Ball vor und will im Strafraum hinterherlaufen. Dabei kommt Behrendt hinzu und will sicherlich den Ball spielen, kommt aber einen Moment zu spät, trifft nur noch Brandt am Fuß und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, sodass die Elfmeterentscheidung richtig ist.
Szene 13: Lars Lokotsch (Verl) kommt im Strafraum gegen Janek Sternberg (Lübeck) zu Fall, Schiedsrichter Tobias Wittmann entscheidet auf Freistoß. Als dieser ausgeführt werden soll, läuft ein Lübecker in Richtung des Schützen, was nicht geahndet wird. [TV-Bilder – ab Minute 1:32:00]
Babak Rafati: Das Foulspiel von Lokotsch gegen Sternberg ist knapp innerhalb des Strafraums, sodass es einen Elfmeter hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, das Vergehen außerhalb des Strafraums zu verorten. Da auch eine gute Angriffschance unterbunden wird, hätte es die gelbe Karte gegen Sternberg geben müssen. Das Entgegenlaufen in Richtung des Schützen beim anschließenden Freistoß geschieht noch vor der Ausführung, sodass der Schiedsrichter im Rahmen seines Ermessensspielraumes noch die Möglichkeit hat, die Aktion ohne Karte zu managen. Eine richtige beziehungsweise vertretbare Entscheidung, keine Karte zu zeigen.
Szene 14: Im Strafraum bekommt Daniel Mikic (Verl) den Ball nach einem Schuss von Cyrill Akono (Lübeck) an den Arm, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:53:05]
Babak Rafati: Der Ball geht nach einem Schuss von Akono an den angelegten Arm am Körper von Mikic, sodass kein strafbares Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
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