Strittige Szenen am 37. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Die nicht gegebenen Elfmeter für Halle, Münster und Regensburg, der verwehrte Treffer für Münster, das 2:0 für Dresden, der Platzverweis gegen Pfanne, der Strafstoß für Duisburg, sowie Foulspiele von Götze, Klein und Stehle. Am 37. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 53-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Im Strafraum klärt Maximilian Großer (Bielefeld) einen Ball, trifft dabei aber auch den anlaufenden Dominic Baumann (Halle). Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Patrick Alt. [TV-Bilder – ab Minute 1:55:10]
Babak Rafati: Großer spielt entscheidend den Ball. Womöglich trifft er im normalen Bewegungsablauf, nachdem er den Ball weggespielt hat, den Fuß von Baumann. Die Aktion ist aber ballorientiert und somit regelkonform. Der anschließende Fußtreffer stellt kein Vergehen dar. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 2: Andor Bolyki (Halle) geht im Strafraum im Duell mit Maximilian Großer (Bielefeld) zu Fall. Auf den Punkt zeigt Alt nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:10:40]
Babak Rafati: Auch wenn Großer seinen Gegenspieler Bolyki daran hindert, zum Ball zu laufen, ist das kein Vergehen, das man abpfeifen muss. Das ist ein "Stellen", und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen.
Szene 3: Auf dem Weg Richtung Tor geht Julian Guttau (1860) kurz vor dem Strafraum gegen Felix Götze (Essen) zu Fall, Schiedsrichter Alexander Sather lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 51:05]
Babak Rafati: Kurz vor dem Strafraum führt Guttau den Ball am Fuß, dabei streckt Götze den Fuß zum Ball, verfehlt das Spielgerät allerdings. Dadurch fällt Guttau über das ausgestreckte Bein von Götze, sodass ein Foulspiel vorliegt. Somit hätte es einen Freistoß geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den fälligen Freistoß nicht zu geben. Eine gelbe Karte wäre nicht erforderlich, da zwei weitere Verteidiger in unmittelbarer Nähe hätten eingreifen können.
Szene 4: Im Mittelfeld wird Fynn Lakenmacher (1860) als letzter Mann von Felix Götze (Essen) gehalten und geht zu Fall. Sather pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:18:30]
Babak Rafati: Götze spielt den Ball zum Torwart zurück, dabei will Lakenmacher dem Ball hinterherlaufen, wird von Götze leicht berührt und kommt zu Fall. Das reicht aber nicht für ein Foulspiel aus, zumal die leichte Berührung nicht ursächlich für das Zufallkommen ist. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 5: Im Strafraum bekommt Torge Paetow (Verl) den Ball nach einer Hereingabe von Joel Grodowski (Münster) an den Arm, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Dr. Robin Braun nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]
Babak Rafati: Nach einer Hereingabe von Grodowski will Paetow den Ball klären, verschätzt sich dabei ein wenig, nimmt dann den Arm zu Hilfe und blockt den Ball. Das ist ein strafbares Handspiel, zumal der Arm dort nichts zu suchen hat, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, keinen Elfmeter zu pfeifen.
Szene 6: Nach einem langen Einwurf kommt der Ball über Umwege zu Niko Koulis, der zum 1:1 trifft. Allerdings entscheidet Braun auf Abseits bei einer Verlängerung von Alexander Hahn. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]
Babak Rafati: Nach dem Einwurf und der ersten Kopfballverlängerung ist noch alles in Ordnung. Dann bekommt Hahn den Ball aber ein zweites Mal an den Kopf, und von da aus gelangt der Ball zu Koulis, der ins Tor trifft. Da er aber bei dem zweiten Abpraller mit dem Kopf von Hahn in Abseitsposition steht, liegt eine richtige Entscheidung vor, den Treffer wegen einer Abseitsposition nicht zu geben. Sehr gut vom Assistenten erkannt, dass der Ball in dieser undurchsichtigen Situation von einem Angreifer zu Hahn gelangt.
Szene 7: Im Mittelfeld setzt sich Niklas Hauptmann (Dresden) rustikal gegen Aaron Keller (Unterhaching) durch, Schiedsrichter Patrick Kessel lässt weiterlaufen. Aus dem Angriff fällt das 2:0. [TV-Bilder – ab Minute 53:55]
Babak Rafati: Zuerst hält Hauptmann Gegenspieler Keller kurz fest, aber Keller kann den Ball behaupten und bleibt in Ballbesitz. Anschließend stolpert Keller, sodass dieser Einsatz im Mittelfeld von Hauptmann gegen Keller absolut regelkonform ist und kein Foulspiel darstellt. Damit eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen.
Szene 8: Für ein Foulspiel an Léo Scienza (Ulm) im Mittelfeld sieht Franz Pfanne (Dortmund II) von Schiedsrichter Daniel Bartnitzki glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:25]
Babak Rafati: Pfanne springt schon sehr heftig mit dem Bein in den Zweikampf und bringt Gegenspieler Scienza zu Fall. Der Schiedsrichter wird womöglich im normalen Ablauf wahrgenommen haben, dass Pfanne mit diesem ausgefahrenen Bein seinen Gegenspieler in die Füße trifft, was eine rote Karte rechtfertigen würde. Allerdings wird Scienza nicht mit dem Fuß getroffen, sondern Pfanne reißt, nachdem er seinen Gegenspieler mit dem Fuß verfehlt, diesen herunter, sodass ein taktisches Foulspiel vorliegt. Somit ist die rote Karte eine Fehlentscheidung, und es hätte folglich nur die gelbe Karte geben dürfen.
Szene 9: SVS-Keeper Klein und Kennedy Okpala (Mannheim) geraten aneinander, Klein schubst den Stürmer dabei ein wenig mit dem Ellenbogen weg. Schiedsrichter Wolfgang Haslberger belässt es bei Ermahnungen. [TV-Bilder – ab Minute 1:39:30]
Babak Rafati: Keeper Klein fängt den Ball ab, und dabei kommt Okpala angelaufen und stellt sich ein wenig in den Weg des Keepers. Dieser läuft weiter, und dadurch kommt Okpala zu Fall. Das Spiel deshalb zu unterbrechen und anschließend mit einem Schiedsrichterball fortzusetzen ist okay. Eine jeweilige Ermahnung gegen beide Spieler reicht vollkommen aus, da nichts Großartiges passiert ist. Eine richtige Entscheidung, beide Spieler lediglich an- und eine Ermahnung auszusprechen.
Szene 10: Elias Huth (Regensburg) kommt im Strafraum beim Duell mit Sydney Lopes Cabral (Köln) zu Fall, Schiedsrichter Florian Heft pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:51:50]
Babak Rafati: Nach einem Zuspiel im Strafraum springt Huth der Ball vom Fuß, und anschließend kommt er im Zweikampf mit Lopes Cabral zu Fall. Ein Vergehen des Verteidigers ist nicht erkennbar, und das Fallmuster vom Angreifer ähnelt einem Faller, um zu schinden oder einem Ausrutscher und keinesfalls einem Foulspiel. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen.
Szene 11: Auf der Strafraumlinie geht Niklas Kölle (Duisburg) gegen Erik Majetschak (Aue) zu Fall, Schiedsrichter Assad Nouhoum zeigt auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 2:55]
Babak Rafati: Majetschak will den Ball auf der Strafraumlinie spielen, trifft das Spielgerät aber nicht. Er trifft aber auch nicht Gegenspieler Kölle, sondern ins Leere. Man sieht sehr gut den Fuß von Majetschak, der den Gegenspieler nicht trifft. Kölle wiederum lässt sich fallen und bekommt einen Elfmeter, was aber eine Fehlentscheidung ist. Selbst die Reaktion der Duisburger Spieler in unmittelbarer Nähe ist ungläubig.
Szene 12: Simon Stehle (Saarbrücken) steigt Max Rosenfelder (Freiburg II) auf das Sprunggelenk, kommt aber ohne Karte davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:33:40]
Babak Rafati: Rosenfelder spielt in der eigenen Hälfte den Ball, und dabei kommt Stehle zu spät und trifft seinen Gegenspieler am Sprunggelenk. Das ist ein Foulspiel, das die Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers billigend in Kauf nimmt. Wenn man dann das Trefferbild hinzunimmt, ist das eine klare rote Karte. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, diese nicht zu zeigen. Wenn sich der Schiedsrichter dem Geschehen genähert und die Situation nicht unterschätzt hätte, wäre ihm die Szene nicht entgangen. Aus über 20 Metern kann man ein Foulspiel einfach nicht in Gänze wahrnehmen. Zugegebenermaßen ist es aber gängige Praxis, beim „Rückwärtsgang“ nicht hinzulaufen und in 99 von 100 Fällen geht das auch gut.
Weiterlesen: Wer bislang am häufigsten benachteiligt wurde