Strittige Szenen am 5. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Aue (4), Osnabrück (2), Rostock, Hannover II, Unterhaching und Aachen, die verwehrten Treffer von Bielefeld und Mannheim, die Strafstöße für Aue und Stuttgart II, das 1:1 für Bielefeld sowie die gelbe Karte gegen Eitschberger. Am 5. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 16 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Im Strafraum will Boris Tashchy (Aue) zum Ball, kommt aber im Duell mit Kaito Mizuta (Bielefeld) zu Fall. Kein Elfmeter, entscheidet Schiedsrichter Florian Heft. [TV-Bilder – ab Minute 33:30]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball in den Strafraum kommt es zu einem Zweikampf zwischen Mizuta und Tashchy. Dabei setzt der Verteidiger nur den Körper ein. Dieser Einsatz ist regelkonform, sodass kein Foulspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 2: André Becker (Bielefeld) setzt sich im Strafraum gegen Tim Hoffmann (Aue) durch und trifft zum 1:0, allerdings entscheidet Heft auf Stürmerfoul und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 37:40]

Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum ist Becker hinter Hoffmann postiert, schiebt ihn leicht weg und trifft anschließend ins Tor. Dieses leichte Schieben als Foulspiel zu werten, ist eine Fehlentscheidung. So ein Einsatz gehört zum Fußballsport einfach dazu. Wenn man umgekehrt (Verteidiger gegen Angreifer) diesen Einsatz als Elfmeter werten würde, hätten wir keinen Spielfluss mehr und viele Unterbrechungen sowie unzählige Elfmeter im Spiel.

Szene 3: Maximilian Großer (Bielefeld) bringt Kilian Jakob (Aue) an der Strafraumgrenze zu Fall, Heft gibt Elfmeter für Aue. [TV-Bilder – ab Minute 0:55]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf nimmt Großer den Arm heraus, trifft Jakob im Gesicht und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel. Allerdings ist der Treffer außerhalb des Strafraumes, sodass es einen Freistoß und die gelbe Karte hätte geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung, einen Elfmeter zu geben.

Szene 4: Bei einem Freistoß der Veilchen bekommt Felix Hagmann (Bielefeld) den Ball im Strafraum an den Arm. Statt Elfmeter gibt es Ecke. [TV-Bilder – ab Minute 45:55]

Babak Rafati: Wenn der Ball aus neun Meter Entfernung angeflogen kommt und ein Verteidiger genügend Zeit hat, sich entsprechend zum Ball zu drehen, kann nicht mehr von einem unabsichtlichen Handspiel die Rede sein. Es hätte somit einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu pfeifen.

Szene 5: Nach einem leichten Rempler von Mirnes Pepic (Aue) gegen Marius Wörl (Bielefeld) kommt dieser zu Fall. Es gibt Freistoß, aus dem das 1:1 resultiert. [TV-Bilder – ab Minute 1:40]

Babak Rafati: Pepic hat den Arm angelegt und setzt seinen Körper regelgerecht gegen Wörl ein, auch wenn dieser zu Fall kommt. Dieser Körpereinsatz stellt kein Foulspiel dar und gehört zum Fußballspiel einfach dazu. Somit hätte es keinen Freistoß geben dürfen. Eine Fehlentscheidung, diesen trotzdem zu geben.

Szene 6: Im Strafraum geht erst Marvin Stefaniak (Aue) gegen Maximilian Großer (Bielefeld) zu Fall, dann auch Marcel Bär (Aue) im Duell mit Felix Hagmann (Bielefeld). Beide Male zeigt Heft nicht auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 1:35:35]

Babak Rafati: Bei der Aktion spielt Großer den Ball, anschließend fällt Stefaniak über das Bein des Verteidigers, sodass alles in Ordnung ist. Bei der zweiten Aktion halten und zerren Bär und Hagemann gleichermaßen, sodass auch hier eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

Szene 7: Marcel Bär (Aue) will im Strafraum zum Ball, kommt aber gegen Felix Hagmann (Bielefeld) zu Fall. Erneut läuft die Partie weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:37:55]

Babak Rafati: Beide Zweikämpfe sind fußballtypisch. Es ist kein Vergehen auszumachen, daher liegt eine richtige Entscheidung vor, sowohl die Aktion von Hagmann gegen Bär als auch den anderen Zweikampf nicht zu unterbinden.

 

Szene 8: Im Strafraum bekommt Rico Benatelli (Mannheim) den Ball im Duell mit Nils Fröhling (Rostock) an die Hand, Schiedsrichter Assad Nouhoum lässt die Partie weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 27:50]

Babak Rafati: Benatelli bekommt den Ball aus kurzer Entfernung an den Arm. Dabei hat er die Arme in natürlicher Haltung und ist im normalen Bewegungsablauf. Als er den Ball an den Arm bekommt, zieht er diesen sogar zurück, sodass keine Absicht vorliegt. Eine richtige Entscheidung, des sehr gut postierten Schiedsrichters, weiterspielen zu lassen und dieses unmissverständlich mit einer entsprechenden Gestik zu untermauern.

Szene 9: Nach einem Freistoß trifft Terrence Boyd zum 2:1, allerdings wird auf Abseits entschieden. [TV-Bilder – ab Minute 3:55]

Babak Rafati: Bei dieser Szene wird nicht der Pass beim Freistoß gewertet, denn da steht der anschließende Torschütze Boyd nicht im Abseits, sondern das anschließende Kopfballzuspiel eines Mannheimers, da dieser zuletzt am Ball ist. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, den Treffer wegen Abseitsposition nicht zu geben.

 

Szene 10: Ba-Muaka Simakala (Osnabrück) dringt in den Strafraum ein und geht im Duell mit Fynn Arkenberg (Hannover II) zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Jarno Wienefeld. [TV-Bilder – ab Minute 1:42:15]

Babak Rafati: Simakala legt sich den Ball im Strafraum vor und will zwischen zwei Hannoveranern durchlaufen. Dabei nimmt Arkenberg das Bein heraus, und der Angreifer kommt zu Fall. Simakala wird unten am Fuß nicht getroffen. Falls ein Kontakt vorliegen sollte, dann am Knie des Angreifers, weil er über das ausgestreckte Bein des Verteidigers zu Fall gekommen sein könnte. Allerdings ist nicht zweifelsfrei ein Kontakt oder sogar ein Foulspiel erkennbar, sodass der Schiedsrichter tendenziell richtig liegt, weiterspielen zu lassen. Auch die Reaktion des Angreifers nach dem Zufallkommen unterstützt die These, dass eher kein Foulspiel vorgelegen hat.

Szene 11: Im Strafraum geht Lion Semic (Osnabrück) gegen Fynn Arkenberg (Hannover II) zu Boden, erneut zeigt Wienefeld nicht auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 2:02:35]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell trifft Arkenberg im eigenen Strafraum zwar nicht den Ball, aber es kommt auch nicht zu einem Kontakt mit dem ausgestreckten Fuß und mit dem Nachziehbein. Sicherlich kommt es nach der Grätsche zu einem Kontakt im Körperbereich, der aber für ein Foulspiel nicht ausreichend ist. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, keinen Elfmeter zu pfeifen. Allerdings hätte es einen Abstoß statt Eckstoß geben müssen. Der Hannoveraner Spieler reklamiert womöglich deshalb nicht über die Abstoßentscheidung, weil er froh ist, dass der Schiedsrichter den leichten Kontakt nicht ahndet und somit keinen Elfmeter pfeift, der aber auch nicht angemessen wäre.

Szene 12: Nach einer Flanke will Robin Kalem (Hannover II) im Strafraum an den Ball, kommt aber gegen Bastien Conus (Osnabrück) zu Fall. Kein Elfmeter, sagt der Schiedsrichter. [TV-Bilder – ab Minute 57:40]

Babak Rafati: Nach einer langen Flanke vor das Tor geht Conus mit viel Einsatz gegen Kalem in den Zweikampf, allerdings reicht das nicht für ein Foulspiel aus. Dieser Einsatz ist im Bereich des Erlaubten, weil ein bisschen Hand anlegen, zu diesem Sport einfach dazu gehört. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 13: Für ein vermeintliches Foulspiel an Fabian Greilinger (Wiesbaden) sieht Julian Eitschberger (Essen) von Schiedsrichter Martin Speckner die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 46:00]

Babak Rafati: Eitschberger verspringt der Ball vom Fuß, und er will anschließend gegen Greilinger klären, verpasst aber den Ball, trifft nur Greilinger in die Füße und bringt ihn dadurch zu Fall.  Dass der Ball nicht gespielt wurde, sieht man sehr gut an dessen Flugbahn. Der Ball rollt nach vorne – ein Indiz dafür, dass der Angreifer ihn gespielt hat. Hätte der Verteidiger den Ball gespielt, wäre dieser aufgrund der Position von Eitschberger zur Seite gerollt. Eine richtige Entscheidung, einen Freistoß für Greilinger zu pfeifen.

Der Schiedsrichter gibt dann die gelbe Karte, weil er die Situation so auslegt, dass eine gute Angriffschance vereitelt wird und nicht wegen der Intensität des Foulspiels. Allerdings hätte es auch die rote Karte geben können. Wenn man das Bild zum Zeitpunkt des Foulspiels anhält, erkennt man sehr gut, dass Greilinger aus vollem Lauf Richtung Tor hätte laufen können, Rios Alonso in der Mitte leicht trabt und nicht mehr hinterhergekommen wäre und somit nicht mehr hätte entscheidend eingreifen können.

Auch der andere Verteidiger hinter dem Angreifer ist am Traben, sodass auch er nicht mehr entscheidend hätte eingreifen können. Somit könnte man auch von einer Vereitelung einer klaren Torchance sprechen, sodass es auch die rote Karte gegen Eitschberger hätte geben können.

Hier wäre der Assistent gefordert, weil nur er die Szene von der Seite sehen und die Entfernungen der jeweiligen Spieler und ihre Geschwindigkeit zum Tor einschätzen kann. Der Schiedsrichter schaut von hinten auf die Szene und kann diese Entfernungen nicht zweifelsfrei einschätzen. Dass am Ende keiner die rote Karte fordert ist dem Sachverhalt geschuldet, dass der Schiedsrichter 2-3 Sekunden verzögert pfeift, weil er sich vermutlich nicht sicher ist, ob überhaupt ein Foulspiel von Eitschberger vorliegt und sich dadurch das Spielgeschehen deutlich verlagert. Dadurch ergibt sich ein komplett anderes Bild als zum Zeitpunkt des Foulspiels. Insgesamt eine vertretbare Entscheidung auf Foulspiel und gelbe Karte zu entscheiden. Die rote Karte wäre aber die bessere und richtigere Entscheidung.

 

 

Szene 14: Nach einer Flanke von Markus Schwabl (Unterhaching) bekommt Manuel Zeitz (Saarbrücken) den Ball im Strafraum an die Hand, Schiedsrichter Luca Jürgensen pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:21:20]

Babak Rafati: Auch wenn Zeitz den Ball nach einer Flanke von Schwabl an die Hand bekommt, ist die Armhaltung des Verteidigers in natürlicher Haltung und im normalen Bewegungsablauf. Das sieht man auch sehr gut in der Zeitlupe kurz vor dem Handspiel, wie Zeitz auch vorher schon die Arme am Körper beim Laufen mitschwingt und bei der Flanke sich die Bewegung beim Handspiel nicht verändert. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und dieses Handspiel nicht als strafbar auszulegen.

 

Szene 15: Im Strafraum bekommt Lopes Cabral (Köln) einen Ball von Anton Heinz (Aachen) den Arm, auf den Punkt zeigt Schiedsrichter Felix Weller nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: Nach dem Schuss von Heinz nimmt Cabral den Arm unnatürlich zur Hilfe und vergrößert dadurch die Körperfläche, sodass ein strafbares Handspiel vorliegt. Ein angelegter Arm sieht anders aus. Es hätte einen Elfmeter gegen müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 16: Leonard Münst (Stuttgart II) kommt im Strafraum gegen Simon Lorenz und Lukas Fröde (Ingolstadt) zu Fall, Schiedsrichter Yannick Rupert gibt Elfmeter für den VfB. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: Bei dieser Szene sind gleich drei Zweikämpfe zu beurteilen, ob ein Foulspiel an Münst vorliegt. Beim ersten Zweikampf reicht das minimale Halten für ein Foulspiel nicht aus. Beim zweiten Zweikampf ist der Verteidiger im Vorwärtslaufen, und der Fuß richtet sich nicht gegen den Angreifer, vielmehr bleibt der Angreifer selbst im Laufduell ein bisschen am Fuß des Verteidigers hängen. Beim dritten Zweikampf reicht der minimale Kontakt am Fuß auch nicht aus, und der ebenfalls minimale Treffer am Kopf ist noch nicht einmal relevant, weil diese Zusammenstöße einen Unfall und keinesfalls ein Foulspiel darstellen. Somit liegt kein Foulspiel vor, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, auf Elfmeter zu entscheiden. Man kann in dieser Szene auch nicht addieren und die kleinen Kontakte aufrechnen. Wenn eine Szene kein Foulspiel hergibt, geht es einfach weiter.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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