Strittige Szenen am 6. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Elfmeter für Mannheim, Aachen, Unterhaching und Köln, das 2:0 für den BVB II, der Strafstoß für Essen, das 3:1 für Sandhausen sowie gelbe Karten gegen Gürleyen und Corboz. Am 6. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zehn strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Nach einer Flanke bekommt Bastien Conus (Osnabrück) den Ball im Strafraum im Fallen an den Arm, Schiedsrichter Dr. Robin Braun lässt weiterlaufen. Anschließend wird Julian Rieckmann (Mannheim) von Joel Zwarts (Osnabrück) leicht geschubst und kommt zu Fall, erneut gibt es keinen Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 1:37:25]

Babak Rafati: Conus springt in den Zweikampf und bekommt den Ball an den Abstützarm, der in natürlicher Haltung ist und somit nicht als strafbar ausgelegt wird. Bei der zweiten Szene ist der leichte Schubser von Zwarts gegen Rieckmann nicht ausreichend genug für ein Foulspiel, sodass auch in dieser eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.

Szene 2: Im Strafraum bekommt Yigit Karademir (Osnabrück) den Ball nach einem Abpraller an den Arm, Braun pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:46:55]

Babak Rafati: Karademir steht wieder auf, nimmt den Ball mit dem Fuß an und bekommt ihn von da aus gegen die Hand, die aber in natürlicher Haltung ist. Somit liegt kein strafbares Handspiel vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen. Hinweis: Nicht immer liegt ein nicht absichtliches Handspiel vor, wenn ein Spieler den Ball von einem anderen Körperteil an den Arm bekommt. Maßgeblich für die Beurteilung, ob Absicht bei vorherigem Berühren des Balles mit einem anderen Körperteil vorliegt, ist, ob der Arm in natürlicher Haltung war (dann kein strafbares Handspiel) oder aber zur Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt wurde (strafbares Handspiel).

 

Szene 3: Im eigenen Strafraum wird Mike Hanraths (Aachen) von Michael Eberwein (Dortmund II) leicht geschubst, bekommt seinen Ellenbogen ins Gesicht, wird an der Wade getroffen und geht zu Fall. Schiedsrichter Mario Hildenbrand lässt weiterlaufen. Direkt danach fällt das 2:0 für den BVB. [TV-Bilder – ab Minute 3:00]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf ist das Schieben von Eberwein an seinem Gegenspieler noch im Rahmen. Anschließend spielt Hanraths den Ball weg, und der Angreifer kommt etwas zu spät, trifft ihn klar am Fuß und bringt ihn zu Fall. Das ist ein Foulspiel. Somit hätte es einen Freistoß für Aachen geben müssen und das anschließende Tor für Dortmund nicht gegeben werden dürfen. Eine Fehlentscheidung, den Treffer zu geben.

Zudem kommt es bei diesem Tritt an den Fuß auch zu einem Kontakt des Ellenbogens von Eberwein in das Gesicht von Hanraths. Dieser Kontakt ist sicherlich schmerzhaft, aber nicht als Foulspiel zu werten, das ist eher ein unbeabsichtigter Unfall.

Szene 4: Nach einer Ecke kommt Sasa Strujic (Aachen) die Hand von Ayman Azhil (Dortmund II) ins Gesicht und geht zu Fall, ein Elfmeterpfiff bleibt aus. [TV-Bilder – ab Minute 27:10]

Babak Rafati: Die Aktion von Azhil gegen Strujic sieht auf den ersten Blick nicht so schlimm aus. Beim genaueren Hinsehen erkennt man allerdings, dass der Verteidiger mit der Hand ins Gesicht des Angreifers fasst und ihn zu Boden schubst. Dort hat die Hand nichts zu suchen, sodass ein Foulspiel vorliegt. Es hätte einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

 

Szene 5: Im Duell mit Ahmet Gürleyen (Rostock) geht Oliver Batista Meier (Dresden) im Mittelfeld zu Fall, der Rostocker sieht von Schiedsrichter Timo Gerach Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 33:15]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf foult Gürleyen seinen Gegenspieler, sodass der Freistoßpfiff richtig ist. Die gelbe Karte obendrein sieht der Rostocker deshalb, weil durch das Foulspiel eine aussichtsreiche Angriffschance unterbunden wird und nicht etwa für die Intensität des Foulspiels. Auch das ist eine richtige Entscheidung.

 

Szene 6: Nach einem Freistoß geht Julian Kügel (Unterhaching) im Duell mit Linus Rosenlöcher (Aue) zu Fall. Schiedsrichter Daniel Bartnitzki entscheidet auf Stürmerfoul. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf haben sowohl Kügel als auch Rosenlöcher die Intention, den Ball spielen zu wollen. Beide strecken das Bein zum Spielgerät, jedoch ist Kügel schneller am Ball, was man sehr gut an dessen Flugbahn erkennen kann. Rosenlöcher kommt etwas später und trifft nur den Fuß von Kügel, wenn auch nur leicht. Das reicht aber, um den Angreifer aus dem Tritt zu bringen, sodass ein Foulspiel des Verteidigers vorliegt. In dieser Szene hätte es einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, auf Stürmerfoul zu entscheiden.

 

Szene 7: Im Strafraum wird Manuel Wintzheimer (Essen) von Niclas Dühring (Ingolstadt) zu Fall gebracht, Schiedsrichterin Fabienne Michel gibt Elfmeter für RWE. [TV-Bilder – ab Minute 2:10]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf grätscht Dühring gegen Wintzheimer und verfehlt den Ball. Allerdings trifft er mit dem linken ausgestreckten Bein auch nicht den Angreifer. Auch mit dem rechten Nachziehbein gibt es keinen Kontakt, sodass kein Foulspiel zu erkennen ist. Der Angreifer nimmt den Zweikampf dankend an und lässt sich fallen. Eine Fehlentscheidung, auf Elfmeter zu entscheiden.

 

Szene 8: Richard Meier trifft zum 3:1 für Sandhausen. Der SVWW reklamiert, dass der Ball bei der Vorlage von David Otto bereits im Toraus gewesen sei. Schiedsrichter Michael Bacher gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 2:55]

Babak Rafati: Der Ball muss die Torlinie mit vollem Umfang überschreiten, damit er im Aus ist. In dieser Szene spielt Otto den Ball noch rechtzeitig, sodass das Spielgerät die Torlinie eben nicht mit vollem Umfang überschreitet und der anschließende Treffer von Meier regelgerecht ist. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor.

 

Szene 9: Für einen Schubser gegen Florian Bähr (1860) sieht Mael Corboz (Bielefeld) von Schiedsrichter Nico Fuchs Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 2:07:50]

Babak Rafati: Corboz wird von Bähr verbal angezählt, und daraufhin gibt er ihm einen Schubser, der aber keine Tätlichkeit darstellt, vielmehr eine Unsportlichkeit. Das ist kein heftiger Stoß, sodass die gelbe Karte absolut angemessen und richtig ist. Die Szene löst sich auch sehr schnell wieder auf.

 

Szene 10: Malek El Mala (Köln) geht im Strafraum gegen Nico Kijewski (Verl) zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Justin Hasmann nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:07:50]

Babak Rafati: El Mala legt sich auf der rechten Strafraumseite den Ball vor und kommt zu Fall. Sein Gegenspieler Kijewski, der neben ihm herläuft, spielt zwar nicht den Ball, es ist aber auch kein Kontakt bzw. Foulspiel erkennbar, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen. Es wäre nichtsdestotrotz besser gewesen, wenn der Schiedsrichter nicht so weit weg vom Geschehen gewesen wäre, um eine bessere Außenwirkung und Akzeptanz in dieser Szene zu erreichen.

 

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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