Strittige Szenen am 7. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die drei Tore für Stuttgart II, das Tor für Unterhaching, der verwehrte Treffer von Hansa, die nicht gegebenen Elfmeter für Aachen und Saarbrücken, die Platzverweise gegen Schifferl und Matsuda, das 2:2 von Osnabrück, das 3:2 von Sandhausen sowie die gelben Karten gegen Ruschke und Moustier. Am 7. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 13 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Wahid Faghir (Stuttgart II) bringt einen Freistoß direkt im Tor unter. Arminia moniert, dass Stuttgarter Spieler zu nah an der Mauer der Bielefelder standen. Schiedsrichter Timon Schulz gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:50]

Babak Rafati: Bilden drei oder mehr Spieler des verteidigenden Teams eine Mauer, müssen alle angreifenden Spieler einen Abstand von mindestens einem Meter zur Mauer einhalten, bis der Ball im Spiel ist. In diesem Fall stehen mehr als drei Verteidiger in der Bielefelder Mauer, zudem stehen die Spieler von Stuttgart unmittelbar vor den Verteidigern und versperren ihnen die Sicht. Somit wird die Regel mit dem vorgeschriebenen Abstand nicht eingehalten. Entsprechend hätte das Tor nicht zählen dürfen, und das Spiel müsste mit einem indirekten Freistoß von dort ausgeführt werden, wo sich die Angreifer in der Mauer befanden. Eine Fehlentscheidung, den Treffer zu geben. Besser ist es, präventiv zu agieren und den nötigen Abstand vor der Ausführung anzuordnen, damit es erst gar nicht so weit kommt.

Szene 2: Im Mittelfeld wird Louis Oppie (Bielefeld) von Christopher Olivier (Stuttgart II) gefoult, das Spiel läuft weiter. Aus dem Angriff fällt das 0:2. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Oppie ist schneller am Ball. Gegenspieler Olivier kommt etwas zu spät, trifft Oppie klar am Fuß und bringt ihn zu Fall. Das ist ein klares Foulspiel, und somit hätte es einen Freistoß geben müssen, sodass der zweite Treffer im Anschluss gar nicht hätte fallen dürfen. Eine Fehlentscheidung, diese Aktion nicht zu unterbinden und den anschließenden Treffer zu geben.

Szene 3: Marius Wörl (Bielefeld) bekommt im Strafraum einen leichten Tritt von Christopher Olivier (Stuttgart II) ans Bein, läuft aber weiter. Einen Elfmeter gibt Schulz nicht. Anschließend verlieren die Bielefelder den Ball, und aus dem Angriff fällt das 0:3. [TV-Bilder – ab Minute 1:41:15]

Babak Rafati: Auch wenn es diesen leichten Tritt von Olivier gegen Wörl gibt und dieser leicht ins Straucheln kommt, reicht das einfach nicht aus, um auf Foulspiel und Elfmeter zu entscheiden. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 4: Nach einem Einwurf stützt sich Lenn Jastremski (Unterhaching) bei Felix Ruschke (Rostock) auf und erzielt dadurch das 1:2. Schiedsrichter Martin Speckner gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:50]

Babak Rafati: Jastremski schmeißt sich mit vollem Einsatz in den Zweikampf und spielt nur den Ball, ohne dabei den Gegner regelwidrig anzugehen. Das ist ein Körpereinsatz, wie er im Fußballsport erlaubt ist. Eine richtige Entscheidung, den robusten Zweikampf zuzulassen und den anschließenden Treffer zu geben.

Szene 5: Für ein vermeintliches Foul im Mittelfeld an Dennis Waidner (Unterhaching) sieht Felix Ruschke (Rostock) die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 1:10:20]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf zwischen Ruschke und Waidner ist kein Foulspiel erkennbar, auch nicht im Fußbereich, wo sich Waidner anschließend hält. Es scheint so, als dass sich Waidner einfach nur verschätzt und deshalb einen möglichen Kontakt zum Anlass nimmt, um zu Fall zu kommen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor. Die gelbe Karte gibt es anscheinend dafür, dass Ruschke den Ball nach dem Pfiff kurz in die Hand nimmt und ihn nicht sofort freigibt. Auch die gelbe Karte ist aber eine Fehlentscheidung, weil kein Zeitspiel oder Reklamieren im Sinne der Regel vorliegt. Der Ball wird schnell wieder hergegeben, und zudem kann der Freistoß sowieso nicht gleich ausgeführt werden, da Waidner noch am Boden liegt.

Szene 6: Bei einem Laufduell mit Sigurd Haugen (Rostock) bekommt Manuel Stiefler (Unterhaching) den Ellenbogen des Rostockers unabsichtlich ins Gesicht und bleibt liegen. Zunächst läuft die Partie weiter, sodass Haugen zum 4:1 trifft. Kurz danach entscheidet Speckner auf Foul und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: Zunächst will Stiefler Gegenspieler Haugen ein bisschen festhalten und ihn am Weiterlaufen hindern. Haugen bleibt aber im Ballbesitz, sodass eine Vorteilsituation entsteht und diese Aktion nicht geahndet werden braucht, zumal diese auch noch im Bereich des Erlaubten ist. Hierbei will sich Haugen aber auch den nötigen Raum verschaffen, setzt den Arm/Ellenbogen ein und trifft Stiefler im Gesicht. Diese Aktion ist regelwidrig, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, den Treffer nicht zu geben. Es wäre natürlich besser gewesen, gleich abzupfeifen. Eine gelbe Karte gegen Haugen für den Ellenbogeneinsatz wäre zudem noch notwendig. Das ist keine Tätlichkeit, sodass keine rote Karte erforderlich wäre.

 

Szene 7: Auf dem Weg in Richtung Tor geht Anton Heinz (Aachen) im Duell mit Lukas Klünter (Mannheim) im Strafraum zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Konrad Oldhafer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 47:45]

Babak Rafati: Im Laufduell schmeißt sich Klünter kurz vor dem Strafraum nur in den Laufweg von Heinz und hindert ihn am Weiterlaufen. Dabei ist der Ball keinesfalls Spielobjekt, zumal das Spielgerät auch gar nicht gespielt wird. Das ist ein Foulspiel, und somit hätte es einen Freistoß sowie die gelbe Karte gegen Klünter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen. Wäre der Schiedsrichter anders gelaufen und hätte sich eine andere Perspektive erarbeitet, hätte er einen besseren Blickwinkel zum Geschehen und das Vergehen sicherlich erkannt. Optimal wäre eine Position links hinter dem Laufduell und nicht rechts und so weit weg vom Geschehen.

 

Szene 8: Für ein Foulspiel an Robin Kalem (Hannover II) sieht Raphael Schifferl (1860 München) von Schiedsrichter Martin Wilke die rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 3:10]

Babak Rafati: Schifferl kann den Ball nicht behaupten, verliert das Spielgerät an Kalem und foult ihn anschließend. Dieser hat nur noch den Torwart vor sich und somit eine glasklare Torchance, da ein weiterer Verteidiger von München nicht mehr entscheidend eingreifen kann. Somit greift die Notbremsen-Regelung, und daher ist die rote Karte die einzig richtige Entscheidung. Prima, dass der Schiedsrichter nicht nur richtig, sondern auch schnell und glaubwürdig entscheidet, sodass die Entscheidung eine große Akzeptanz erlangt. Verlaats Versuch ist naturgemäß und für seine Verhältnisse eher zaghaft, weil er genau weiß, was passiert ist. Der Sünder wiederum geht anstandslos vom Platz.

Szene 9: Hayate Matsuda (Hannover) kommt im Strafraum gegen Eliot Muteba (München) zu Fall. Einen Elfmeter gibt Wilke nicht, stattdessen entscheidet Wilke auf Schwalbe und zeigt dem bereits verwarnten Matsuda Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 4:05]

Babak Rafati: Bei diesem Laufduell, bei dem Matsuda und Muteba zum Ball gehen und sich aus dem Strafraum orientieren, gibt es einen leichten Kontakt, und Matsuda nimmt diesen zum Anlass, zu Fall zu kommen. Das ist natürlich nicht genug für ein Foulspiel, aber ein Täuschungsversuch liegt auch nicht vor, sodass die Entscheidung auf Schwalbe in Verbindung mit einer gelben Karte, die zu einer Ampelkarte gegen den bereits gelb-verwarnten Matsuda führt, eine Fehlentscheidung ist. Hier wäre es besser gewesen, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 10: Im Anschluss an einen Schuss von Joel Zwarts kommt der Ball nach einem Torwart-Abpraller zu Erik Engelhardt, der zum 2:2 trifft. Cottbus reklamiert Abseits, Schiedsrichterin Fabienne Michel gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 2:30]

Babak Rafati: Beim ersten Zuspiel auf die linke Seite steht Zwarts knapp im Abseits. Das sieht man gut an den Rasenmarkierungen. Somit hätte der Treffer nicht zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, den anschließenden Treffer von Engelhardt zu geben. Der Assistent wird die Abseitsposition womöglich deshalb nicht erkannt haben, weil ihm ein anderer Osnabrücker Spieler (Niehoff) in der Mitte die Sicht zu Zwarts versperrt.

 

Szene 11: Im Strafraum bekommt Lars Dietz (Köln) den Ball nach einem Schuss von Kai Brünker (Saarbrücken) an den Arm, Schiedsrichter Assad Nouhoum lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 0:45]

Babak Rafati: Nachdem Brünker den Ball aufs Tor bringt, grätscht Dietz zum Ball und stützt sich mit dem Arm auf dem Boden ab. Dabei ist sein Blick nicht zum Ball gerichtet, vielmehr befindet sich der Ball hinter seinem Rücken, sodass er den Ball gar nicht sehen kann. Dieser Abstützarm ist regeltechnisch kein Vergehen, wenn er vorher nicht zur Vergrößerung der Körperfläche eingesetzt wird. Das tut er in diesem Fall nicht, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, das Spiel weiterlaufen zu lassen.

 

Szene 12: Tom Moustier (Essen) geht mit einem langen Bein in den Zweikampf mit Ben Vincent Hüning (Dortmund II) und sieht dafür von Schiedsrichter Felix Bickel Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:44:00]

Babak Rafati: Das Reinrutschen von Moustier abzupfeifen, ist korrekt, auch wenn es keine Berührung gibt. Hüning springt ab und verhindert selbst geschickt, dass er getroffen wird. Die gelbe Karte obendrein ist allerdings eine Fehlentscheidung. Der Pfiff allein wäre die bessere Entscheidung gewesen. Das Argument, dass wenn Hüning nicht hochspringt, er getroffen wird, trifft zwar zu, aber letztendlich wird das Vergehen bewertet und nicht etwa eine mögliche Option.

 

 

Szene 13: Richard Meier (Sandhausen) setzt sich im Strafraum gegen Lukas Fröde (Ingolstadt) durch, der zu Boden geht. Schiedsrichter Richard Hempel lässt weiterlaufen, direkt danach fällt das 3:2. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]

Babak Rafati: Fröde lässt den Ball vom Fuß springen, kommt ein wenig aus dem Gleichgewicht und ist da schon ein bisschen am wanken. Der Zweikampf von Meier ist dann regelgerecht, da er nur den Körper einsetzt. Im Fußbereich ist auch alles in Ordnung, sodass der Faller des Verteidigers nicht einem regelwidrigen Einsatz des Angreifers geschuldet ist. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer zu geben.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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