Strittige Szenen am 7. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Das 1:0 für 1860 München, die nicht gegebenen Elfmeter für Rostock, Osnabrück, Unterhaching und Zwickau, die Strafstöße für 1860 und Köln, der Platzverweis von Manu, die Foulspiele von Weber, Fürstner und Janzer sowie das 1:0 für Würzburg. Am 7. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf Szenen genauer angeschaut.
Szene 1: Adriano Grimaldi (1860 München) geht im Zweikampf mit Nico Rieble (Hansa Rostock) zu Boden, Schiedsrichter Daniel Siebert gibt Freistoß für den TSV, aus dem das 1:0 resultiert. [TV-Bilder – ab Minute 47:20]
Babak Rafati: Das ist ein lupenreines Ballspielen und hat überhaupt nichts mit einem Foulspiel zu tun. Der Schiedsrichter hat freie Sicht zum Vorgang und entscheidet trotzdem auf Freistoß für 1860 München. Eine klare Fehlentscheidung.
Szene 2: Rostocks Anton Donkor dringt in den Strafraum ein und geht im Duell mit 1860-Keeper Marco Hiller zu Fall – kein Elfmeter für Hansa, sagt Siebert. [TV-Bilder – ab Minute 55:50]
Babak Rafati: Bei dieser Aktion springt Hiller sehr riskant in den Zweikampf, spielt aber letztlich klar den Ball – Donkor fällt anschließend über den herausgeeilten Keeper. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 3: Julian Riedel (Hansa Rostock) setzt im Strafraum zur Grätsche an und will den Ball klären. Adriano Grimaldi (1860 München) geht dabei zu Boden, es gibt Strafstoß für 1860. [TV-Bilder – ab Minute 3:00]
Babak Rafati: Aus der Position, aus der der Schiedsrichter die Entscheidung trifft, ist es schwierig, den Zweikampf klar zu sehen und zweifelsfrei zu entscheiden. Wäre er dem Geschehen schneller gefolgt, hätte er sich eine viel bessere Ausgangsposition verschaffen können. Zugegebenermaßen braucht man als TV-Zuschauer die Zeitlupe, um zu erkennen, dass Riedel nur den Ball spielt und Grimaldi überhaupt nicht trifft. Grimaldi tritt ins Leere, stolpert über seine eigenen Füße und kommt zu Fall. Der anschließende Zusammenprall mit dem Torhüter ist dann sehr unglücklich und sicherlich schmerzvoll. Hier hätte es daher keinen Strafstoß geben dürfen, weil in beiden Szenen kein Foulspiel vorliegt, sodass es sich um eine Fehlentscheidung handelt.
Szene 4: Im Kampf um den Ball geht der bereits verwarnte Felix Weber (1860 München) im Mittelfeld rustikal in einen Zweikampf mit Merveille Biankadi (Rostock) und blockt ihn weg – das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 2:10:40]
Babak Rafati: Das Spiel läuft zunächst aufgrund der Vorteilsregel weiter, weil die Rostocker in Ballbesitz bleiben und einen Angriff vortragen. In dieser Szene stellt sich die Frage, ob man nachträglich für das Checken eine gelbe Karte zeigen muss. Der Schiedsrichter entscheidet sich dagegen und reizt seinen möglichen Ermessensspielraum aus, was absolut vertretbar ist. Hier ist eine gelbe Karte nicht zwingend erforderlich.
Szene 5: Im Anschluss an ein nicht gegebenes Foulspiel will Braydon Manu (Hallescher FC) zurück an den Ball. Er geht in ein Laufduell mit Manuel Konrad (KFC Uerdingen), will sich von ihm losreißen, macht eine Ausholbewegung mit dem Arm und trifft Konrad am Hals. Dieser geht zu Boden und Manu wird von Schiedsrichter Asmir Osmanagic mit Rot vom Platz gestellt. [TV-Bilder – ab Minute 1:05]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter lässt den Zweikampf gegen Manu zunächst weiterlaufen. Das ist ein Zweikampf, den man pfeifen kann, aber nicht muss. Manu steht danach wieder auf und will zum ballführenden Gegenspieler, wird aber von Konrad im Laufduell ein wenig bearbeitet, obwohl der Ball etwa zwei bis drei Meter entfernt ist. Bis hierhin ist alles im Rahmen und fußballtypisch.
Manu holt nun mit seiner linken Hand aus und fährt diese in Richtung Konrads Gesicht, trifft ihn aber überhaupt nicht. Man sieht im TV sehr gut, dass die Hand in einem Zug am Gesicht vorbeigeht. Womöglich wird der Hals leicht touchiert. Konrad nimmt diese Aktion dankend an und kommt zu Fall. Wenn die Hand im Gesicht gelandet wäre, wäre die rote Karte absolut berechtigt. Doch das ist hier es anders.
Auffällig ist, dass der Schiedsrichter die Aktion etwas verzögert abpfeift. Ein Indiz dafür, dass er den Vorgang wahrscheinlich nicht genau sieht, sondern eher im Augenwinkel wahrnimmt. Auch die erste Reaktion und Körpersprache des Schiedsrichters nach dem verzögerten Pfiff ist nicht typisch für ein Aussprechen einer roten Karte. So zögerlich geht man nur zum Tatort, wenn man sich vergewissern will, was genau passiert ist. Die anschließende Hektik und die verzerrte Wahrnehmung verleiten den Schiedsrichter womöglich zu dem Ergebnis, dass eine Tätlichkeit vorgelegen haben muss. Letztlich zeigt der Schiedsrichter nach Zeigen der roten Karte selbst an, dass er das ins Gesicht Fassen ahndet – etwas, das jedoch gar nicht passiert ist. Dass Manu seinen Gegenspieler womöglich am Hals trifft, ist nach der Regel ein rücksichtsloses Spiel, aber kein überharter Einsatz und folglich nur mit Gelb zu ahnden. Hier Rot zu geben, ist eine Fehlentscheidung.
Szene 6: Im Mittelfeld geht Stephan Fürstner (Eintracht Braunschweig) rustikal in einen Zweikampf mit Firat Sucsuz (Carl Zeiss Jena) und sieht von Schiedsrichter Justus Zorn Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]
Babak Rafati: Der Schiedsrichter steht sehr gut und hätte sehen müssen, dass die Attacke von Fürstner nur gegen Sucsuzs Beine gerichtet ist. Er geht mit offener Sohle frontal in den Zweikampf, trifft Sucsuz auf Knöchelhöhe und bringt ihn zu Fall. Das ist ein brutales Spiel und gefährdet die Gesundheit des Gegenspielers. Hier kann es nur eine Entscheidung geben, nämlich die rote Karte. Eine Fehlentscheidung, es bei Gelb zu belassen.
Szene 7: Florian Brügmann (Carl Zeiss Jena) foult Manuel Janzer (Eintracht Braunschweig) im Mittelfeld, Zorn zeigt Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 2:55]
Babak Rafati: Womöglich ist durch die Szene zuvor Hektik ins Spiel gekommen und die Gemüter sind erhitzt. Anders kann man sich das rustikale und brutale Foulspiel von Brügmann in dieser aussichtslosen Zone nicht erklären. Er tritt mit den Stollen voraus seinem Gegenspieler von hinten in die Achillessehne. Auch hier wird die Gesundheit des Gegenspielers gefährdet. Rot ist die einzig richtige Entscheidung.
Szene 8: Marcos Alvarez (VfL Osnabrück) will in den Strafraum eindringen, wird dabei jedoch von Marco Thiede (Karlsruher SC) zu Fall gebracht und fordert Elfmeter – diesen gibt Schiedsrichter Jonas Weickenmeier jedoch nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:28:50]
Babak Rafati: Natürlich hat Thiede den Arm am Körper von Alvarez und stört ihn ein wenig. Das ist jedoch alles im Bereich des fußballtypischen Einsatzes – das wissen auch die Akteure. Diese Szenen sieht man oft, wenn gerade bei eigenem Rückstand die Kraft schwindet und der eine oder andere Faller mehr zustande kommt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 9: Nach einem Kontakt von Lukas Gottwald (1. FC Kaiserslautern) geht Kwame Yeboah (Fortuna Köln) im Strafraum zu Fall, Schiedsrichter Robert Schröder zeigt auf den Punkt. Eine Karte sieht Gottwald nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:35:30]
Babak Rafati: Zunächst einmal erkennt der Schiedsrichter sehr gut das Foulspiel, Gottwald tritt Yeboah im Laufduell im eigenen Strafraum auf den Fuß, hindert ihn am Weiterlaufen und bringt ihn zu Fall. Da hier die Aktion nicht gegen den Gegenspieler gerichtet war, sondern im Kampf um den Ball geschieht und zudem überhaupt keine Absicht vorliegt, ist eine rote Karte nicht erforderlich – allerdings hätte Gottwald in dieser Szene Gelb sehen müssen. Die Entscheidung, auf Elfmeter zu entscheiden, ist aber richtig. Prima gesehen.
Szene 10: Dominik Stahl (SpVgg Unterhaching) geht in einen Zweikampf mit Orhan Ademi (Würzburger Kickers) und spielt den Ball, dennoch gibt Schiedsrichter Henrik Bramlage Freistoß, aus dem das 1:0 für Würzburg fällt. [TV-Bilder – ab Minute 1:45]
Babak Rafati: Stahl spielt ganz klar den Ball und begeht kein Foulspiel. Da gibt es keine zwei Meinungen. Warum der Schiedsrichter aus einer sehr guten Position trotzdem einen Freistoß für Würzburg pfeift, ist nicht nachvollziehbar. Eine klare Fehlentscheidung.
Szene 11: Nach einem langen Ball in den Würzburger Strafraum berührt Hendrik Hansen (Würzburger Kickers) den Ball offenbar mit der Hand. Bramlage lässt das Spiel weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 2:05:35]
Babak Rafati: Dadurch, dass bei den vorliegenden Fernsehbildern der Würzburger Spieler mit der Nr.25 die Sicht versperrt, kann man nicht erkennen, ob Hansen den Ball mit der Hand oder einem anderen Körperteil annimmt oder aber ob der Ball vom Oberschenkel an den Arm springt. Tendenziell scheint ein Handspiel vorzuliegen. Dafür spricht, dass so viele Unterhachinger zeitgleich reklamieren. Allerdings wurde zuvor offensichtlich eine Abseitsposition erkannt, da der Schiedsrichter unmittelbar nach der Aktion abpfeift und durch Ausstrecken des Armes nach oben einen indirekten Freistoß signalisiert, was diese Spielfortsetzung nach Abseits mit sich bringt. Man sollte die Entscheidung des Schiedsrichters akzeptieren.
Szene 12: Michael Schulze (Sportfreunde Lotte) wird im eigenen Strafraum angeschossen und berührt den Ball dabei mit der Hand. Zwickau fordert Elfmeter, die Pfeife von Schiedsrichter Patrick Hanslbauer bleibt jedoch stumm. [TV-Bilder – ab Minute 1:42:25]
Babak Rafati: Ein klassisches Beispiel für unabsichtliches Handspiel. Schulze bekommt den Ball aus kurzer Entfernung an die Hand geschossen, der Arm hat eine natürliche Körperhaltung. Er versucht sogar unmittelbar mit oder nach der Berührung des Balls die Hand zurückzuziehen, was nochmal deutlich macht, dass er sich selbst erschreckt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.