Strittige Szenen bei MSV-FCS: Die Analyse von Babak Rafati
Die ersten beiden Tore für Saarbrücken, der Platzverweis gegen Sicker und ein Foulspiel von Shipnoski ein Sauer: Beim Nachholspiel zwischen Duisburg und Saarbrücken hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de vier Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).
Szene 1: Eine Ecke verlängert Kianz Froese zu Nicklas Shipnoski, der zum 1:0 für Saarbrücken trifft. Duisburg reklamiert Foulspiel und Abseits, Schiedsrichter Patrick Glaser gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]
Babak Rafati: Nach einer Ecke klammert ein Duisburger Verteidiger einen Saarbrücker Angreifer und bringt ihn zu Fall, sodass kein Foulspiel eines Saarbrücker Spielers vorliegt, vielmehr eines Duisburgers. Anschließend kommt der Ball zu Shipnoski, der einen Treffer erzielt. Arne Sicker hebt die Abseitsposition auf, sodass alles korrekt ist und eine richtige Entscheidung vorliegt, zunächst weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen.
Szene 2: Marin Sverko (Saarbrücken) lenkt einen Freistoß im Fallen auf das Tor. Der Ball trifft den Pfosten, prallt auf Sverko zurück und dann ins Tor. Duisburg reklamiert Handspiel bei der ersten Ballannahme (im Fallen), das Tor zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]
Babak Rafati: Nach einem langen Ball in den Strafraum von Duisburg geht Sverko mit der linken Hand zum Ball und befördert ihn damit an den Pfosten. Den anschließenden Abpraller köpft er dann im Liegen ins Tor. Die erste Aktion ist ein strafbares Handspiel, sodass das Tor nicht hätte zählen dürfen. Zudem hätte es eine gelbe Karte gegen Sverko wegen Unsportlichkeit geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen Treffer für Saarbrücken anzuerkennen.
Szene 3: Im Mittelfeld geht Arne Sicker (Duisburg) zum Ball, nimmt dabei das Bein etwas hoch und trifft den heranlaufenden Tobias Jänicke (Saarbrücken) auf Becken-Höhe. Glaser zeigt dem Duisburger glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:50]
Babak Rafati: Sicker geht im Mittelfeld nur zum Ball und spielt diesen auch eindeutig. Sein Gegenspieler Jänicke kommt bei dieser Aktion angelaufen und will auch zum Ball, erreicht diesen aber nicht mehr und wird durch eigenes Verschulden vom Fuß des Duisburgers an der Hüfte getroffen. Das ist eine unglückliche Situation, die aber nicht einmal ein Foulspiel von Sicker ist, geschweige denn eine Karte nach sich zieht. Eine klare Fehlentscheidung, bei dieser sauberen Zweikampfführung überhaupt auf Foulspiel und zudem auf eine rote Karte zu entscheiden. Trotzdem wird Sicker vom Sportgericht gesperrt werden, da eine Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters vorliegt und die FIFA keinen Freispruch zulässt. Das würde nur dann passieren, wenn der Schiedsrichter einen Irrtum zugeben würde, was hier natürlich nicht passieren wird.
Szene 4: Nicklas Shipnoski (Saarbrücken) grätscht Maximilian Sauer (Duisburg) um, Glaser belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 2:05:30]
Babak Rafati: Shipnoski kommt dynamisch angelaufen, trifft seinen Gegenspieler Sauer am Fuß und bringt ihn zu Fall. Das sieht auf den ersten Blick schlimmer aus, als es tatsächlich ist. Der Saarbrücker trifft Sauer nicht brutal oder gesundheitsgefährdend, vielmehr minimal, sodass es gelbwürdig ist. Nicht mehr und nicht weniger. Eine richtige Entscheidung, hierfür die gelbe Karte zu zeigen. Dass viele in dieser Situation ebenso eine rote Karte sehen wollen, liegt dann daran, dass man eine ausgleichende Gerechtigkeit zur Szene vorher schaffen will. So etwas wäre vor ein paar Jahren bei erfahrenen Schiedsrichtern in der Bundesliga ohne Videobeweis vielleicht möglich gewesen (Stichwort: Konzessionsentscheidung), aber Schiedsrichter sollten nicht eine Fehlentscheidung mit der nächsten wieder ausgleichen.
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