Strittige Szenen Nachholspiele: Die Analyse von Babak Rafati

Der Strafstoß für Zwickau, ein Zweikampf von Uaferro gegen Drinkuth sowie die nicht gegebenen Elfmeter für Saarbrücken, Meppen und Verl. In den Nachholspielen unter der Woche hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de sechs Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga & FIFA Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 50-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, u.a. bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation (www.babak-rafati.de).

Szene 1: Steven Zellner (Saarbrücken) verliert den Ball im eigenen Strafraum an Manfred Starke (Zwickau), der anschließend im Zweikampf zu Fall geht. Schiedsrichter Mitja Stegemann gibt Elfmeter für Zwickau. Eine Karte sieht Zellner nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Zellner verliert den Ball im eigenen Strafraum an Starke, bemerkt die Gefahr für das eigene Tor, läuft seinen Gegenspieler einfach um und bringt ihn zu Fall. Das ist unumstritten ein Foulspiel und somit gibt es einen Strafstoß. Allerdings gilt die Attacke nur dem Gegenspieler und soll nur eine glasklare Torchance verhindern. Starke hätte nur noch den Torwart vor sich gehabt, mit Ballorientierung hat das nichts zu tun. Das ist eine Notbremse, was ein rote Karte zu Folge haben muss. Eine Fehlentscheidung, diese nicht auszusprechen.

Szene 2: Im Zweikampf gegen Felix Drinkuth (Zwickau) spielt Boné Uaferro (Saarbrücken) den Ball, sieht aber Gelb. Es gibt Freistoß und danach eine Ecke, aus der das 2:0 für Zwickau fällt. [TV-Bilder – ab Minute 1:47:25]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf spielt Uaferro klar und deutlich den Ball vor seinem Gegenspieler Drinkuth. Anschließend kommt es zum Kontakt der beiden Spieler. Dadurch, dass Uaferro etwas früher am Ball ist und der Zwickauer etwas zu spät kommt, trifft sogar genau genommen der Zwickauer Uaferro in die Beine, was allerdings dem normalen Bewegungsablauf geschuldet ist. Somit ist die Aktion von Uaferro ein klares Ballspielen und die Aktion von Drinkuth ein handelsüblicher Kontakt. In dieser Szene auf Foulspiel zu entscheiden und Uaferro zudem Gelb zu zeigen, ist eine klare Fehlentscheidung.

Szene 3: Nach einer Ecke bekommt Manfred Starke (Zwickau) den Ball im Strafraum an die Hand, Stegemann lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Nach einer Ecke bekommt Starke den Ball aus sehr kurzer Entfernung an die Hand geköpft und hat dabei gar keine Chance mehr, vorher den Arm wegzuziehen. Starkes Arm ist zwar nicht angelegt, aber das liegt daran, dass er zuvor den Arm in erlaubter Weise am Gegenspieler hat und erst nach dem Kopfball diesen in natürlicher Haltung wieder zurückzieht. Danach springt der Ball sehr kurios an den Oberkörper und den Arm von Starke, sodass der Ball sogar kurz eingeklemmt wird. Dieses Einklemmen ist aber nicht Ursache eines beabsichtigten Handspiels, sondern einer vollkommen normalen Haltung des Armes. Erst nach dem Einklemmen bewegt er aktiv seinen Arm weg vom Ball. Auch wenn es wirklich sehr nach Handspiel aussieht und der Ärger der beteiligten Mannschaft nachvollziehbar ist, liegt kein einziges Argument für eine Absicht und somit strafbares Handspiel vor. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

 

Szene 4: Bei einer Flanke in den Strafraum geht Dejan Bozic (Meppen) im Strafraum-Zentrum zu Fall, Schiedsrichter Martin Speckner lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:44:10]

Babak Rafati: Nach einer Flanke in den Strafraum von Köln läuft Bozic Richtung Ball und wird dabei von seinem Gegenspieler attackiert. Zuerst hat der Verteidiger die Arme an Bozic, was noch nicht strafbar ist. Aber als er ihm in die Füße rennt und zu Fall kommt, bringt er auch Bozic zu Fall. Das ist mittlerweile Mode geworden, zuerst ein Foulspiel zu begehen, sich aber anschließend fallen zu lassen, um die Aufmerksamkeit auf sich selbst zu lenken und nicht auf das begangene Foulspiel. Das ist ein Foulspiel und es hätte einen Strafstoß für Meppen geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 5: Nach einer Flanke von Valdet Rama (Meppen) kommt Viktoria-Keeper Sebastian Mielitz (Köln) aus seinem Tor und will den Ball in der Luft wegschlagen, trifft aber neben dem Ball auch Gegenspieler René Guder (Meppen). Einen Elfmeter gibt es nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]

Babak Rafati: Nach einer langen Flanke in den Strafraum von Köln gehen Keeper Mielitz und Angreifer Rama in einen Luftkampf. Es kommt zu einem Zusammenprall und anschließend gehen beide zu Boden. Zunächst ist der Angreifer kurz vor dem Keeper am Ball und köpft diesen Richtung Tor. Unmittelbar danach wehrt der Keeper den Ball mit den Fingerspitzen ab, sodass die Abwehraktion des Keepers ballorientiert ist. Zudem ist sein Blick nur zum Ball gerichtet. Er trifft mit seinem Körper zwar auch den Stürmer, aber das ist erlaubt – genauso wie es beim Kopfball zwischen zwei Feldspielern passiert. Dass die Aktion des Torhüters nur dem Ball gedacht ist und diese auch Erfolg hat, erkennt man sehr gut an der Flugbahn des Balles. Nach der Torwartabwehr verändert sie sich und geht weg vom Tor. Hätte er den Ball in dieser Aktion nicht mehr erreicht, wäre es natürlich nicht ballorientiert und folglich ein Foulspiel gewesen. In dieser Situation liegt allerdings eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 6: Im Strafraum geht Patrick Schikowski (Verl) gegen Nicolas Feldhahn (Bayern II) zu Fall, Schiedsrichter Tobias Fritsch pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:35]

Babak Rafati: Eine durchaus knifflige Szene für den Schiedsrichter. Schikowski muss sich im gegnerischen Strafraum erst einmal in Position bringen und dreht sich um sich selbst, um den Ball aufs Tor bringen zu können. Feldhahn hindert ihn dabei, indem er versucht den Schuss zu verhindern. Er steht dabei hinter ihm und grätscht zum Ball, den er aber nicht berührt. Schließlich bringt Schikowski den Ball nur halbherzig auf das Tor und der Torwart kann den Ball mit der Hand abwehren. Ein Foulspiel von Feldhahn ist im Fußbereich nicht erkennbar. Das Zufallkommen von Schikowski ist eher dem eigenen Bewegungsablauf und womöglich einem Kontakt im Oberkörper-/Hüftbereich geschuldet, der aber nicht strafbar ist. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Weiterlesen: Wer bisher am häufigsten benachteiligt wurde

   

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