Türkgücü München: Das Gebilde bleibt fragil

Kaum ein anderer Drittligist schrieb in dieser Saison derart viele Schlagzeilen wie Türkgücü München: Erst die Lizenz-Thematik, dann die Pokal-Klage und schließlich der angekündigte Rückzug von Investor Hasan Kivran, ehe am Samstag die Kehrtwende erfolgte: Kivran bleibt doch. Damit ist die finanzielle Zukunft des Aufsteigers vorerst gesichert. Das Gebilde bleibt allerdings fragil. 

Viele offene Fragen

Für einige kam Kivrans Rücktritt vom Rückzug überraschend, andere hatten damit schon gerechnet. Sie vermuten Kalkül hinter dem kurz vor Weihnachten angekündigten Ausstieg. Eine These: Kivran wollte intern den Druck erhöhen, um Spieler zu Vertragsauflösungen zu bewegen. Laut der "Süddeutschen Zeitung" soll zwischenzeitlich sogar von betriebsbedingten Kündigungen die Rede gewesen sein. Bisher wurden mit Tom Boere, Marco Holz, Marco Raimondo-Metzger, Emre Kurt und Thomas Haas aber ausschließlich Spieler abgegeben, die ohnehin kaum oder gar nicht gespielt haben. Ob es dazu die Schlagzeilen gebraucht hat? Oder ging es dem Klub genau darum, also um Öffentlichkeit? Auch das ist eine These. Belegt werden können diese Vermutungen nicht, doch klar ist: Das Projekt steht trotz Kivrans Verbleib auch weiterhin auf wackligen Beinen.

Denn auch wenn er in einer Mitteilung des Vereins von einer "nach wie vor hohen Begeisterung und Leidenschaft" für Türkgücü spricht, weiß niemand, wie lange er dem Verein als Investor tatsächlich erhalten bleiben wird. Was passiert etwa, wenn aus dem von der Stadt München in Aussicht gestellten Trainingszentrum doch nichts wird? Immerhin war dies ein Grund, warum Kivran nun bleibt. Zieht er sich in ein paar Monaten dann doch endgültig zurück? Von heute auf morgen wird sich an den Trainingsbedingungen jedenfalls nichts ändern. Gleiches gilt im Hinblick auf die Stadionfrage. Ohne echte Heimat wird sich der Klub im Profifußball kaum etablieren können, das ständige Pendeln zwischen dem Grünwalder Stadion und dem Olympiastadion ist jedenfalls keine Dauerlösung. Ohnehin scheint fraglich, wie lange DFB und DFL (im Falle eines Aufstiegs) mitspielen werden.

Knackpunkt Infrastruktur

Klar ist: Türkgücü steht und fällt mit Kivran. Denn wie der Klub Ende Dezember wissen ließ, sei es ihm zum jetzigen Zeitpunkt "noch nicht möglich, ohne einen Geldgeber komplett auf eigenen Beinen zu stehen". Sollte Kivran also zu einem späteren Zeitpunkt doch aussteigen, beginnt das Zitterspiel um die Zukunft erneut. Zuletzt soll der Klub zwar in "aussichtsreichen" Gesprächen mit potenziellen Investoren gestanden haben. Doch ob es tatsächlich zu einem Abschluss der Verhandlungen gekommen wäre, bleibt offen. Ebenso unklar ist, ob sie im gleichen Umfang investiert hätten wie Kivran.

Nun, da der 54-Jährige vorerst bleibt, wird Türkgücü in dieser Transferperiode wohl doch nochmal personell nachlegen und möglicherweise den direkten Durchmarsch in Angriff nehmen. Mit einem Sieg gegen Tabellenführer Dynamo Dresden könnte der ambitionierte Klub am Montagabend nicht nur ein Ausrufezeichen setzen, sondern würde bei einem Spiel weniger bis auf drei Punkte an den Relegationsrang heranrücken. Sollte der sportliche Aufstieg am Saisonende tatsächlich gelingen, wird Türkgücü für die Zweitliga-Lizenz allerdings in vielen Bereichen nachbessern müssen – mehr als andere Klubs. Unter anderem sind die Vereine der Bundesliga und 2. Bundesliga dazu verpflichtet, ein Leistungszentrum für Nachwuchsspieler zu führen. Über ein solches verfügen die Münchner derzeit noch nicht. Es ist die Infrastruktur insgesamt, die das ehrgeizige Projekt auf Dauer ins Wanken bringen könnte. Und da Kivran weitere Investitionen auch von den Bedingungen im Umfeld des Klubs abhängig machen dürfte, Türkgücü aber gleichzeitig auf die Investitionen des 54-Jährigen angewiesen ist, bleibt das Gebilde fragil.

   

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