Uhlig: "Zweigleisige 3. Liga wäre kein sportlicher Rückschritt“
Im Interview mit liga3-online.de spricht Marcus Uhlig, Vorstandsvorsitzender von Rot-Weiss Essen, über die Vorteile einer zweigleisigen 3. Liga, die Ambitionen des Ex-Bundesligisten und einen möglichen Saisonabbruch in den Regionalligen.
"Hervorragend vermarktbares Produkt"
liga3-online.de: Sie fordern die Einführung einer zweigleisigen 3. Liga. Was sind Ihre Gründe dafür, Herr Uhlig?
Marcus Uhlig: Die Corona-Krise wird den Fußball sehr wahrscheinlich nachhaltig verändern. Wir haben gerade Zeit, neu zu denken und über verschiedene Möglichkeiten zu diskutieren. Die zweigleisige 3. Liga ist eine davon. Der Übergang von der 4. in die 3. Liga ist seit Jahren als "Fehler im System“ erkannt. Es kann nicht sein, dass auf eine Profiliga ein Ligensystem mit fünf verschiedenen Staffeln folgt, in denen die jeweiligen Meister noch immer nicht direkt aufsteigen. Dass die 20 aktuellen Drittligisten aus kurzfristiger Sicht von der Idee einer zweigleisigen 3. Liga nicht begeistert sind, verstehe ich. Schließlich haben sie laufende Verträge für das eingleisige System. Aber mittel- und langfristig empfinde ich eine zweigleisige 3. Liga als ein hervorragend vermarktbares Produkt. Es würde zu mehr Lokalduellen und dadurch attraktiveren Spielen führen. Das ist spannender für die Zuschauer und hat dadurch sicher positive Auswirkungen auf die Spielbetriebseinnahmen. Ich gebe an der Stelle aber auch gerne zu, dass Rot-Weiss Essen von einer solchen Lösung profitieren würde. Das wiederum ist aber sicher nicht der Hauptgrund meiner Argumentation.
Sie sagen, dass eine zweigleisige 3. Liga gut finanzierbar wäre. Führen Sie das doch einmal aus. Immerhin müsste das TV-Geld dann unter 40 Vereinen geteilt werden und eine Verdopplung der Sponsoren-/Partnergelder ist bei der aktuellen Lage unwahrscheinlich.
Auch hier werbe ich darum, nicht zu kurzfristig zu denken. Tut man das, gebe ich Ihnen Recht. Die Aufteilung der TV-Gelder wäre dann mathematisch eine leichte Aufgabe und finanziell würden die jetzigen Drittliga-Klubs Einbußen hinnehmen müssen. Aber wir dürfen nicht kurzsichtig an die Sache herangehen. Wir reden nicht über eine zweigleisige 3. Liga ab September 2020, sondern über eine mittelfristige Veränderung. Es ist im Fußball durch die vielen Verbandsregularien ohnehin kompliziert, etwas systematisch neu zu gestalten. Das geht nicht über Nacht. Ich möchte einfach nur, dass es in diesen Tagen keine Denkverbote, keine Tabus gibt. Mit sämtlichen konstruktiven Lösungsvorschlägen sollte sich auseinandergesetzt werden.
Die eingleisige 3. Liga wurde 2008 eingeführt, um die Liga bundesweit attraktiver zu machen. Wäre eine Rückkehr zur Zweigleisigkeit aus sportlicher Sicht nicht ein Rückschritt?
Ich sehe absolut keinen sportlichen Rückschritt für die 3. Liga. DFB-Manager Oliver Bierhoff hatte dieses Thema zuletzt ja ebenfalls ins Gespräch gebracht. Es gibt extrem viele gute junge Spieler, die früh den Sprung in den Seniorenbereich schaffen und sich dort weiterentwickeln. In einer zweigleisigen 3. Liga könnten sie das sicherlich besser als in einer fünfgleisigen Regionalliga. Mehr Talente würden so die Chance erhalten, Profifußball – also drittklassig – zu spielen.
Alle aktuellen Drittligisten sprechen sich gegen eine zweigleisige 3. Liga aus. Hand aufs Herz: Wäre RWE bereits Drittligist, würden Sie dann auch dafür plädieren?
Ich würde mich dem Gedanken definitiv nicht verschließen und nicht die Viertligisten dafür verurteilen, dass sie sich damit auseinandersetzen. Und wenn wir schon dabei sind, die Perspektive zu wechseln: Umgekehrt glaube ich, dass alle derzeitigen Drittligisten eine zweigleisige 3. Liga befürworten würden, wenn sie sich in der 4. Liga befänden. Und so ausgeglichen, wie die 3. Liga aktuell ist, kann es gefühlt jede Mannschaft mal treffen. Durch eine zweigleisige 3. Liga könnte man den Übergang zwischen 3. und 4. Liga verbessern und gewährleisten, dass endlich alle Regionalliga-Meister aufsteigen. Dass dieses Problem weiterhin nicht gelöst wurde, ist gegen jeden Sportgedanken.
"Haben in der Regionalliga nichts zu suchen"
RWE spielt seit vielen Jahren viertklassig, mischt aber erst diese Saison erstmals ganz oben mit. In den letzten Spielzeiten reichte es trotz großer Ambitionen maximal für eine Top-Fünf-Platzierung. Wieso?
Da müssen wir uns sicher an die eigene Nase fassen. Wir haben aber zuletzt strategisch und strukturell viel verändert, bislang überwiegend mit Erfolg. Uns ist in der laufenden Saison der Sprung in die Spitzengruppe gelungen. Wer einmal die Essener Hafenstraße für ein Heimspiel besucht hat, spürt schnell, dass wir als Verein in dieser Liga nichts zu suchen haben. Deshalb wollen wir so schnell wie möglich in den Profifußball zurückkehren. Dafür müssen wir aber tagtäglich hart arbeiten und kontinuierlich unser Bestes geben. Der Weg von der Regionalliga in die 3. Liga ist im aktuellen Ligensystem – da wiederhole ich mich gerne – nun einmal extrem schwer.
Obwohl Essen zum Zeitpunkt der Saison-Unterbrechung hinter Spitzenreiter SV Rödinghausen, der keine Drittliga-Lizenz beantragte, und dem SC Verl Dritter war, fordern Sie, dass RWE im Falle eines Abbruchs bei der Aufstiegsfrage berücksichtigt wird. Wie begründen Sie das?
Wir werden keine Entscheidung hinnehmen, mit der keine wirkliche Lösung einhergeht. Damit will ich sagen: Es wäre nicht hinnehmbar, die Spielordnung in der unteren Tabellenregion zu brechen, indem man niemanden absteigen lässt, aber sich gleichzeitig im Aufstiegsrennen an die "strengen Spielregeln" zu halten und den Verein als Meister zu küren, der zum Zeitpunkt der Unterbrechung ganz oben steht. Das ist fragil und nicht zu Ende gedacht. Es ist ja noch nicht einmal klar, ob es überhaupt eine Aufstiegsrelegation gibt und es wurden bisher keine klaren Entscheidungen getroffen. Deshalb haben wir beschlossen, uns für all das, was in den kommenden Wochen und Monaten auf uns zukommt, juristischen Beistand zu holen.
Wenn Sie nun entscheiden dürften, wie es in den Regionalligen weitergeht: Welche Lösung würden Sie bevorzugen?
Ich bin gegen einen Abbruch und für eine Verlängerung der Saison – vorerst bis Jahresende. So gäbe es auch die Option, die Spielzeit notfalls bis Sommer 2021 zu verlängern. Dass die kommende Saison nicht normal über die Bühne gehen wird, ist ja bereits fast sicher. Ich bin zwar nicht blauäugig und mir ist bewusst, dass eine Saison-Verlängerung bis Ende 2020 oder Sommer 2021 für viele Vereine schwer zu bewerkstelligen sein würde. Allerdings muss man Stand jetzt auch davon ausgehen, dass im September noch nicht gespielt werden kann. Und dann hätte auch ein vorzeitiger Abbruch nicht den gewünschten Effekt gebracht. Klar ist: Egal, welches Szenario am Ende Realität wird: Der Fußball steht vor einem Problem, das nicht mit kurzfristigen Gedanken und Lösungsvorschlägen gemeistert werden kann.