Chessa im Interview: "Kampfansagen liegen uns fern"

45 Punkte-Marke durchbrochen, Zeit für neue Ziele beim SSV Ulm 1846. Mit derlei Kampfansagen hält sich Dennis Chessa aber (noch) zurück. Stattdessen spricht der Flügelflitzer im Interview mit liga3-online.de über eine bestandene Reifeprüfung, den Hometown-Spirit sowie einen seiner früheren Trainer als möglichen Tuchel-Nachfolger beim FC Bayern München.

"Das ist Wahnsinn für einen Aufsteiger"

liga3-online.de: Was die 40 Punkte in den oberen beiden Spielklassen sind, ist die 45er-Marke in der 3. Liga. Müssen Sie manchmal etwas schmunzeln, wenn Ihnen – auf Platz drei liegend – jemand zum Klassenerhalt gratuliert, Herr Chessa?

Dennis Chessa: Wir nehmen diese Glückwünsche so an. Hin und wieder ist mal ein Grinsen dabei, aber Kampfansagen an die anderen Klubs da oben liegen uns weiterhin fern. 47 Punkte, zwölf Spieltage vor dem Saisonende – das ist Wahnsinn für einen Aufsteiger, der solange und soweit weg vom Profifußball gelebt hat wie der SSV Ulm 1846.

Selbst das heimstärkste Team der Liga konnte Ulm schon entzaubern. War das 2:0 bei Rot-Weiss Essen die vielleicht reifste Teamleistung der Rückrunde?

Da gehe ich mit. Vor dem Spiel haben wir uns in der Kabine noch eingeschworen und gesagt: 'Hier die 45er-Marke zu knacken, wäre etwas ganz Besonderes'. Danach ist jeder mit dieser Entschlossenheit auf den Platz gegangen. Wir sind einer von ganz wenigen Drittligisten, die vor dieser Kulisse in Essen nicht verkrampft, sondern unser Spiel durchgezogen haben.

Ihr Teamkollege Philipp Maier kommentierte dazu salopp via Instagram: "Hinten dicht, vorne Chessa"!

Ein typischer Maier (lächelt). Ganz so einfach lässt sich unser Erfolgsrezept dann doch nicht erklären. Der Teamspirit und das Wissen, dass der Nebenmann da ist, um eigene Fehler auszubügeln, hat uns zu vielen Siegen und nunmehr in diese Tabellenregionen getragen.

Mal unabhängig von der Tabellensituation: Was unterscheidet die Saison in Ulm von Ihren vorherigen Drittliga-Stationen (Bayern München II, VfR Aalen, KFC Uerdingen)?

Ich glaube kein anderer Drittligist hat so viele Spieler aus der Region im Kader bzw. konsequent ehemalige Talente zurückgeholt, denen der großen Sprung verwehrt geblieben war. Das trifft auch auch mich zu: Von der F-Jugend bis zur U17 war ich hier, außerdem immer Balljunge im Donaustadion. Heute spüren ich und viele andere im Team einen Extra-Push, wenn sie auf den Platz gehen und wissen: Ich spiele für meine Stadt oder den Heimatklub.

 

"Für uns ist alles, was jetzt kommt Bonus"

Zu Ihren wohl bekanntesten Trainern zählt Erik ten Hag (heute Manchester United). Wie prägend war die Saison 2013/14 unter dem Niederländer für ihre spätere Karriere?

Für ein Jahr wirklich enorm prägend. Erik ten Hag ist ein ganz spezieller Trainer-Typ. Einer, der nichts dem Zufall überlässt. Wir hatten ein erfolgreiches, sehr dominantes Jahr in der Regionalliga Bayern. Leider hat es in einer dramatischen Relegation gegen Fortuna Köln (Auswärtstor-Regel: 0:1, 2:1, Anm. d. Red.) nicht zum Aufstieg gereicht.

Hat Sie der steile Aufstieg Ihres Ex-Trainers vom FC Bayern II über den FC Utrecht und Ajax Amsterdam bis in die Premier League überrascht?

Keineswegs. Ich habe seinen Weg verfolgt, schaue – insofern es meine Kinder zulassen – auch mal die Spiele von Manchester United (lächelt). Wer weiß, ob er nicht noch mal Cheftrainer bei den Bayern wird? Durch seinen Umgang und Führungsstil sowie der Fähigkeit, dem Erfolgsdruck standzuhalten, traue ich ihm das durchaus zu.

Unerwartet kommt angesichts des weiteren Saisonverlaufs, wie der SSV Ulm 1846 beim Hinspiel gegen FC Ingolstadt (0:4) derart auseinanderfallen konnte. Steckt die Niederlage noch in den Köpfen?

Ja, so ehrlich müssen wir an dieser Stelle sein. Das war eine Niederlage, die uns seinerzeit zurück auf den Boden geholt und jedem gezeigt hat: Körperlich ist diese 3. Liga einfach ein Brett. Quasi jeder Fehler wurde von Ingolstadt bestraft und führte zu einem Tor.

Was ist für eine Revanche gegen die Schanzer am Samstag gefordert?

Wie schon angedeutet, geht es darum, physisch und körperlich einiges draufzupacken. Auch bei harten Duellen müssen wir standhaft bleiben und dann offensiv unsere fußballerische Linie der letzten Wochen finden.

Wir haben mit einem Zahlenspiel angefangen und schließen jetzt wieder mit einem ab: Wie viele Punkte bräuchte es für einen Ulmer Durchmarsch am Saisonende?

Meine vorherige Drittliga-Saison war 2018/19 für den KFC Uerdingen. Danach habe ich mich wenig bis gar nicht damit beschäftigt, wo die Benchmark der Top3-Teams lag – wenn es sie denn überhaupt gibt. Wir reden von einer Liga, wo ein Tabellenführer 3:0 führt und dann noch sechs Gegentore bekommt. Für uns ist alles, was jetzt kommt Bonus. Umgekehrt glaube ich nicht an einen Spannungsabfall im Team, nur weil das Saisonziel soweit im Voraus erreicht wurde.

   

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