"Unglaublich. Total schräg irgendwie"

Er setzt sich hin, nimmt die Gitarre in die Hand und fängt an zu spielen. Wenn Marc Wittfeld mit dem Singen beginnt, läuft es den Eintracht-Fans eiskalt den Rücken herunter. Mit vollen Einsatz singt er seinen selbstgeschriebene Song zum Aufstieg der Eintracht aus Braunschweig. Innerhalb weniger Tage kennt diesen Song jeder Eintracht-Fan. Seine entschlossene und sympatische Art machen ihn beliebt. liga3-online.de hat sich mit Marc am Wochenende zu einem Interview getroffen. Darin erzählt wie der Song entstanden ist und wie wichtig die Rolle der Fans bei dem Aufstieg ist.


Wie kam es zu der Idee, einen Fan-Song zum Aufstieg der Eintracht zu schreiben?
Nun ja, schwer zu sagen, das schwebte die Saison über immer so im Kopf. Da ich des Öfteren auf Feiern unserer befreundeten Fanclubs, wir, das sind die Jägi-Jungs und auf der anderen Seite, die Webloewen, zur Klampfe greife und skurriles Liedgut zum Besten gebe, entstand bei Karsten König ( von den Webloewen und gleichzeitig vom Braunschweiger Fanprojekt, welches hier in Braunschweig hervorragende Arbeit leistet) und mir die Idee, einen Song zum erhofften Aufstieg zu machen. Ich hab mich dann irgendwann hingesetzt und mal losgelegt.

Einen passenden Songtext zu finden war sicher nicht einfach: wie ist dieser entstanden?
Einen Fußballsong zu schreiben ist, wie ich finde, immer schwierig. Vor 10 Jahren hatte ich mit einer befreundeten Band bereits mal einen Eintrachtsong komponiert, der auch ganz gut angekommen ist. Die Gefahr besteht natürlich immer, dass sich die Sachen irgendwie wiederholen. Von daher habe ich einfach überlegt, das in den letzten Jahren hier Erlebte zu verarbeiten. Denn, machen wir uns nichts vor, wir sind „dem Untergang“ vor 3 Jahren quasi in letzter Sekunde entkommen, hier noch mal ein ganz großes Dankeschön an die Lübecker, die uns damals durch den Sieg in Essen überhaupt ermöglicht haben, weiterhin bezahlten Fußball zu sehen. Ansonsten hätte uns sicherlich ein ähnliches Schicksal gedroht, wie den Essenern, denen ich natürlich die Daumen drücke, wieder zu kommen, denn RWE ist ebenso wie die Eintracht ein Traditionsverein, der einfach wieder hochkommen muss. Aber zurück zur Frage: Ich hab das dann halt so aufgeschrieben und in Reimform gebracht und irgendwie ging das ganz von alleine und war relativ schnell zu Papier gebracht. Das flutscht mir dann immer so raus…

Innerhalb weniger Tage ist das Video unter den Eintracht-Fans sehr bekannt geworden: hättest du damit gerechnet?
Nee. Nie im Leben. Ich lade ab und an mal etwas hoch, das dann in der Regel von unseren Fanclubs mal angeschaut wird und in unseren Gästebüchern zum Amüsement beiträgt und von den üblichen 100 – 150 Verdächtigen mal angeklickt und kommentiert wird. Was ich da jetzt „angerichtet“ habe, hat mich selbst etwas überrollt. Ich hab’ ne Woche hinter mir, das kann ich gar nicht in Worte fassen. Da komme ich gestern ins Stadion und da läuft plötzlich mein Song über die Lautsprecher und auf dem Weg zum Stammplatz gab’s dauernd Lob von Leuten, die ich im Prinzip gar nicht kenne. Aber so ist das halt in Braunschweig. Unvorstellbar, vor einer Woche gab’s das Lied quasi noch gar nicht, da ich es echt den Abend nach dem Aufstieg zum ersten Mal komplett gespielt habe. Ich kam aus meinem Stamm-Eintrachtlokal, dem Elvan, hatte einige „Aufstiegsdrinks“ und hab’s einfach mal aufgenommen und spontan hochgeladen. Da ist mir dann auch erst aufgefallen, dass nur der halbe Kopf drauf ist. Dann war ich gestern Abend nach dem Spiel noch in der Haifischbar, einer bekannten Szenekneipe, und die Chefin macht die Mucke aus, drückt mir die Klampfe in die Hand und sagt: „Los, spiel den Song“. Der Laden war natürlich voll mit Eintrachtfans und die haben, als sei es einer der ältesten Hits überhaupt, komplett den Refrain mitgegröhlt, die kannten das alle. Unglaublich. Total schräg irgendwie.

Am 14. Mai wirst du den Song auf der Aufstiegsfeier präsentieren. Was bedeutet der Tag für Dich persönlich?
Da habe ich jetzt schon den Megabammel. Ich spiele ja sonst, wie schon erwähnt, mal auf Feiern unserer Clubs oder mal auf einer Party. Meine größte Bühne ist eigentlich seit 12 Jahren unser Camp auf dem Roskilde-Festival. Da gucken schon so bis zu 30 Leute zu, aber jetzt, vor so einer Masse aufzutreten, da geht mir ganz schön der berühmte „K…stift“. Aber ich versuche das natürlich zu genießen und glaube, wenn ich das hinter mir habe, dauert das noch, bis ich das alles realisiert habe…. Das muss erstmal sacken. Zum Glück werde ich Karsten an meiner Seite haben und wohl auch einen Überraschungsgast (gell, Torsten) Aber für mich persönlich ist das natürlich ein Traum. Die Eintracht ist eine Herzensangelegenheit, ich gehe schließlich mein ganzes Leben dahin und habe so einiges mitgemacht. Und jetzt ein Teil der Feierlichkeiten mitgestalten zu können, ist natürlich das Größte. Das kann man nicht anders sagen. Mann…hab ich Muffe.

Viele Musik-Stars werden ja mittlerweile durch selbst erstellte Musikvideos im Internet entdeckt: träumst du auch davon?
Nee. Obwohl, jetzt schon – hahaha. Spaß beiseite. Natürlich nicht. Ich persönlich finde ja, dass ich ne grausige Stimme habe. Das Singen habe ich nur angefangen, weil nur Gitarre spielen auf Dauer auch langweilig wird. Ich muss mich auch heute noch jedes Mal überwinden, überhaupt zu singen, obwohl ich ja bei der eingefleischten Fangemeinde, die das ja regelmäßig über sich ergeben lassen muss, doch schon ganz beliebt bin. Sag ich jetzt mal so. Wehe einer widerspricht

Wenn man dir beim Singen zuhört, merkt man, dass du mit ganzem Herzen dabei bist. Wie wichtig ist der Aufstieg für die Eintracht?
Als echter Fan bist Du natürlich immer mit dem Herzen dabei. In Braunschweig sowieso. Das ist schwer mit anderen Städten zu vergleichen. Die Braunschweiger sind schon fußballverrückt, hier ticken die Uhren schon etwas anders…Für den Verein ist es natürlich immens wichtig und die Eintracht gehört einfach mindestens in Liga 2. Gegenüber den letzten Last-Minute Aufstiegen ist das diesmal natürlich anders. Wie gesagt, vor drei Jahren waren wir eigentlich weg vom Fenster und jetzt das. Besonders freut mich das für unseren Trainer, die Mannschaft und das ganze Team, von unserem Zeugwart und Busfahrer „Bussi“ bis zum Präsidenten, es allen Kritikern gezeigt zu haben. Es gab noch vor 1 ½ Jahren hier „Trainer-raus“ – Rufe und Leserbriefe in der Zeitung, nach dem Motto, es müsse mal wieder „ein Name“ her. Es ist natürlich eine Genugtuung, das jetzt hier mitzuerleben. Und ich hoffe, dass sich diese Kontinuität in der Führung und im Team auch durchsetzten wird. Vor ein paar Jahren hat Fußballdeutschland über uns gelacht, was hier abging, und nun werden wir wieder positiv wahrgenommen. Das war ein langer, harter und steiniger Weg. Aber letztlich hat sich der eingeschlagene Weg ausgezahlt und insofern sehe ich diesen Aufstieg als einen der Wichtigsten an, da man gezeigt hat, wie es funktionieren kann und muss. Und als Fan ist das natürlich ein nie gekannter Luxus, die letzten Spieltage einfach mal ganz entspannt die Spiele anscheuen zu können.

Wie würdest du die Rolle der Fans bei dem Aufstieg beschreiben?

Ich denke, die Fans spielen eine große Rolle. Wie auch im Song beschrieben, gab es in den vergangenen Jahren eine gewisse Distanz zwischen den Fangruppen. Aber, auch durch die Arbeit des Fanprojekts, ist da wieder richtig was zusammengewachsen, da auch die Fanszene gemerkt hat, dass es eben immer noch die beste Unterstützung ist, wenn man harmoniert. Wenn ich sehe, wie sich z.B. für den Stadionausbau die jungen Fangruppen gemeinsam mit den „alten Säcken“ hier engagiert haben, das ist schon großartig. Und alle Gruppen haben eben gemerkt, dass man nur gemeinsam große Ziele realisieren kann. Die Unterstützung der Mannschaft ist natürlich ebenso wichtig. Ich glaube, alle wissen mittlerweile, dass Du hier in Braunschweig ein echtes „Pfund“ dadurch hast. In dem Heimspielen sowieso. Ich meine ein Schnitt von mittlerweile fast 17000 Zuschauern zu Hause ist doch enorm in der 3.Liga. Und auch auswärts freut sich doch jeder Gegner, wenn die Eintracht kommt, weil die Kassen klingen. Das ist schon irre. Ohne die Fans, das sage ich jetzt mal so, wäre der Aufstieg vielleicht nicht so schnell Zustande gekommen, da auch die Mannschaft natürlich besonders motiviert in ein Spiel geht, wenn die Hütte voll ist.

Sehen wir die Eintracht eines Tages sogar in der 1. Bundesliga wieder?
Na logisch. 2012. Im Ernst: ich hoffe mal, dass wir eine entspannte 2. Liga Saison sehen werden. Unser großer Trumpf ist die eingespielte Truppe, die Jungs haben durchweg einen super Charakter und Fußball spielen können die auch. Insgeheim hofft man natürlich als Fan immer, das ne Überraschung möglich ist, aber machen wir uns nix vor: Nun sehen wir erstmal zu, dass wir 2.Liga halten und schön überlegt weitermachen, etwas aufbauen und langfristig auch mal wieder in Bundesliga kommen. Unser Weg ist noch nicht zu Ende. In Braunschweig ist die Erwartungshaltung natürlich immer hoch, aber ich denke, wir haben Zeit. Der Tag wird kommen, an dem die Braunschweiger Bratwürste und ein gepflegtes Wolters-Pils auch wieder in der ersten Liga angekommen sind.

FOTOS: Marc Wittfeld

liga3-online.de bedankt sich für das ausführliche Interview und wünscht allen Fans nun viel Spaß mit dem Video, das Marc Wittfeld unter den Eintracht-Fans bekannt gemacht hat.


   

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