Unvergessene Spieler: Stefan Leitl, SV Darmstadt 98
In unserer neuen Serie "Unvergessene Spieler" stellen die liga3-online.de-Redakteure ihre jeweiligen Lieblingsspieler vor. Den Anfang macht Colin Mahnke, zuständig für den SV Darmstadt 98. Seine Wahl fiel auf Stefan Leitl (35), derzeit Kapitän und Leistungsträger beim Zweitligisten FC Ingolstadt.
Seit der Saison 2000/01 sind in meiner Agenda die Samstage in der Regel für den SV Darmstadt 98 reserviert. In dieser Zeit haben viele, viele Spieler für den SVD gegen den Ball getreten. Die Fluktuation war riesig, für den gemeinen Drittligafan bekanntlich nichts Neues.
Einige Namen blieben hängen
Dennoch bleiben manche Kicker besonders im Gedächtnis, sei es durch besondere Leistungen, aufgrund ihres Einsatzes oder ihrem Auftreten neben dem Platz. Wenn ich also meine rund 13 Saisons Revue passieren lasse, gibt es einige Namen, die mir positiv im Gedächtnis geblieben sind: Ronald Hoop, Andreas Clauß, Zivojin Juskic, Michael Anicic und Matias Esteban Cenci sind nur eine kleine Auswahl. Wenn ein Spieler jedoch all diese Eigenschaften vereint, ist der Weg in die Herzen der Fans nicht weit. Deshalb erinnere ich mich am liebsten an Stefan Leitl, der während 2004 und 2007 insgesamt 90mal die Schuhe für die „Lilien“ schnürte. Verwunderung ob dieser Wahl ist auf den ersten Blick sicher verständlich: Am Ende von Leitls Engagement in Darmstadt stand der Abstieg in die Oberliga und damit die verpasste Chance, sich direkt für die neue eingleisige dritte Liga zu qualifizieren.
Ein Allrounder für das Darmstädter Angriffsspiels
Warum also ist Stefan Leitl mein Lieblingsspieler? Zunächst einmal gab es selten einen dynamischeren Offensivspieler in Reihen der „Lilien“ als den gebürtigen Münchener. Kommentare wie „Der ist ja mit Ball am Fuß schneller als ohne“, waren während diesen drei Saisons häufig am Böllenfalltor zu vernehmen. Gepaart mit guter Übersicht und feiner Technik war Leitl im Grunde der optimale Allrounder im Darmstädter Angriffsspiel, wie er auch noch in der aktuellen Saison als absoluter Leistungsträger in Ingolstadt beweist. Mit der Empfehlung von über 80 Spielen in den ersten beiden Ligen und somit als gestandener Profi 2004 ans Böllenfalltor gewechselt, war bei dem pfeilschnellen Außenspieler dennoch eine Entwicklung zu beobachten: In seiner ersten Spielzeit mit der Lilie auf der Brust verpasste er zwar nur ein Spiel, die Effektivität fehlte allerdings – lediglich 2 Tore erzielte die damalige Nummer 12. Die Mannschaft hatte als Aufsteiger auf einem sensationellen 5.Platz abgeschlossen, jetzt wollten Präsidium und Trainer Bruno Labbadia mehr – der so sehnsüchtig erwünschte Aufstieg in die zweite Liga sollte es doch bitte sein. Dafür wurde das Team mit großen Namen wie etwa Markus Beierle, Abdoul Thiam oder Jürgen Kramny verstärkt. Am Ende fanden sich die Südhessen jedoch erneut auf dem 5.Platz wieder – diesmal eine klare Enttäuschung. Leitl behauptete sich in diesem Regionalliga-Starensemble, absolvierte trotz großer Konkurrenz 27 Partien, in denen er viermal einnetzte. Insgesamt steigerte er seinen Wert für den Verein, dem er auch nach dem Abgang von Labbadia treu blieb.
Leitl rannte, kämpfte und dirigierte
Die Saison 2006/07 ist als eine der seltsamsten überhaupt in meinem Gedächtnis haften geblieben. Am Ende stand ein nicht für möglich gehaltener Abstieg mit einem Team, das auf dem Papier eigentlich als viel zu stark für solch einen Absturz eingeschätzt wurde. Im Mittelfeld spielte neben Leitl (mittlerweile mit der Nummer 6) ein gewisser Alberto Mendez, der auch schon für Arsenal London am Ball war – ein Techniker vor dem Herrn. Im Sturm lief mit Nico Beigang ein bewährter Torjäger auf, der regelmäßig hundertprozentige Chancen vergab, dafür die schweren Dinger reinmachte. Und der eben bereits genannte Markus Beierle war auch noch da. Der Abstieg erscheint auch heute noch unfassbar. Ausgerechnet in dieser Spielzeit sah das Darmstädter Publikum den stärksten Stefan Leitl seit seiner Ankunft. Der etatmäßige Kapitän und ‚aggressive Leader’ Zivojin Juskic fehlte meist verletzt, so schlüpfte der Bayer in dessen Führungsrolle, trug die Kapitänsbinde – und füllte dieses Amt überragend aus: Leitl rannte, kämpfte, dirigierte und schoss (endlich) auch noch Tore: Acht an der Zahl, fünfmal das wichtige 1:0.
Highlight gegen Hoffenheim
Stellvertretend für seine in dieser Spielzeit herausragende Leistung war das Duell mit Aufstiegsaspirant TSG Hoffenheim am 27.Spieltag. Die auch schon zu diesem Zeitpunkt abstiegsbedrohten Darmstädter gewannen gegen den haushohen Favoriten mit 2:0 (Torwart Bastian Becker parierte einen Elfmeter von Sejad Salihovic!) – beide Tore erzielte Leitl, der überall auf dem Platz zu finden war und bei Temperaturen jenseits der 30 Grad an seine läuferischen Grenzen ging. Wer sich selbst überzeugen möchte, kann dies auf YouTube tun. Doch dieser Achtungserfolg gab dem Team keine Sicherheit. Am 33.Spieltag spielte man gegen den bereits aufgestiegenen FC Ingolstadt 2:2: Der FCI erzielte den Ausgleich in der 89.Minute, kurz darauf klatschte ein Lilien-Freistoß nur an die Latte, was praktisch den Abstieg bedeutete.
"Seine ästhetische Art Fußball zu spielen, machte geradezu süchtig"
Im Grunde stehen während Leitls Aufenthalt in Darmstadt also ein verpasster Aufstieg sowie ein unerwarteter und absolut vermeidbarer Abstieg. Trotzdem bleiben seine unglaublichen Tempoläufe, sein vorbildlicher Einsatz sowie sein jederzeit freundlicher und respektvoller Umgang mit Fans und Umfeld in mehr als positiver Erinnerung. Seine ästhetische Art Fußball zu spielen, machte geradezu süchtig. An Leitl lag es nicht, dass der SVD in seiner Entwicklung schwer zurückgeworfen wurde und 2008 als Folge dessen beinahe Insolvenz anmelden musste. Im „kicker“ sagte er kürzlich, dass sich sein Körper noch nicht wie 35 anfühle – es ist den Ingolstädtern zu wünschen, dass sie noch möglichst lange Freude an Stefan Leitl haben werden. Ich hatte ihn – vielen Dank, Stefan!
FOTO: Herbert Krämer