Viktoria Berlin: Meister von 1908 und 1911 auf dem Weg in die 3. Liga

Der FC Viktoria Berlin ist ein Fußballverein mit einer bewegten Vergangenheit. Als Deutscher Fußballmeister 1908 und 1911 verschwand der 1889 gegründete Verein für viele Jahre in den Niederungen des Deutschen Amateurfußballs, bis nach einer Fusion mit dem LFC Berlin 2013 der Aufstieg in die Regionalliga Nordost gelang. Eine chinesische Investorengruppe ließ die Viktoria anschließend gar vom Bundesliga-Fußball träumen und bedeutete dann fast das Aus für den Verein. Nun steht der Klub aus dem Berliner Stadtteil Lichterfelde kurz vor dem Aufstieg in die 3. Liga. 

Bundesliga-Traum mit chinesischem Geld

Es ist ein warmer Frühlingstag Ende April 2018, als beim FC Viktoria Berlin die großen Bundesliga-Träume beginnen. Zum Heimspiel gegen den FC Energie Cottbus hat sich eine Delegation chinesischer Geschäftsmänner um den Hotel-Mogul Alex Zheng im Stadion Lichterfelde eingefunden, um über einen möglichen Einstieg der Advan­tage Sports Union (ASU) beim Regionalligisten zu verhandeln. Der Sportvermarkter aus Honkong hält zu diesem Zeitpunkt schon 80 Prozent der Anteile am französischen Erstligisten OGC Nizza und versucht in den USA den Klub Phoenix Rising in die MLS zu führen.

Der 1889 als Berliner FC Viktoria 89 gegründete Klub, mit zwei Deutschen Meisterschaften 1908 und 1911 immerhin ein namhafter Fußballverein vergangener Tage, soll nun das große Projekt von Zheng in Deutschland werden und schon bald auf nationaler Ebene für Furore sorgen. "Die ASU zielt mit ihrem Enga­ge­ment nicht darauf ab, dau­er­haft 3. Liga zu spielen", sagt Felix Sommer, damaliger Geschäftsführer der Viktoria, vielsagend und hofft, Deutschlands größte aktive Fußballabteilung (1600 Mitglieder in 65 Teams) wieder auf die große Fußball-Bühne zu führen, nachdem die Tinte unter den Übernahme-Verträgen schließlich getrocknet ist.

Insolvenz und die Angst vor der Vereinsauflösung

Doch nur acht Monate später, im Dezember 2018, haben sich alle Hoffnungen auf das Fernziel Bundesliga schon wieder zerschlagen. Die ASU hat ihr Interesse an der Viktoria verloren, verweigert wichtige Überweisungen und treibt den Regionalligisten damit in die Insolvenz. Für die Viktoria hat das einen Abzug von neun Punkten und den Verkauf vieler Leistungsträger zur Folge. Im Berliner Stadtteil Lichterfelde fürchtet man zeitweise sogar, ganz in der Versenkung zu verschwinden. Dabei hatte man nach dem Abstieg in die Bezirksliga 1983 jahrelang daran gearbeitet, wieder auf stabilen Beinen zu stehen. Dafür war die BFC Viktoria 2013 erst eine Fusion mit dem LFC Berlin eingegangen und schaffte so wenig später den Aufstieg in die Regionalliga Nordost (2013), nun drohte allerdings der erneute Absturz in die Niederungen des Amateurfußballs.

Das Horrorszenario kann letztlich aber doch noch abgewendet werden. Trotz Punktabzug hält die Viktoria am Saisonende die Klasse, vollzieht im November 2019 die bereits länger geplante Ausgliederung der Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft und beendet kurz darauf auch das Insolvenzverfahren, wodurch einem schuldenfreien Neustart nichts mehr im Wege steht. Aus sportlicher Sicht wird der noch recht unbekannte Benedetto Muzzicato als Trainer für den Neuanfang auserkoren. Der Deutsch-Italiener hatte zuvor den BSV Rehden in der Regionalliga Nord trainiert und steigt schließlich im Juli 2019 als neuer Coach bei der Viktoria ein.

Elf Siege aus elf Spielen

In Berlin angekommen, bastelt sich der heute 42-Jährige einen Kader zusammen, in dem sowohl Routiniers mit höherklassiger Erfahrung als auch junge Talente ihren Platz finden. So wird das Grundgerüst bestehend aus Spielern wie Kapitän Christoph Menz (32, zuvor u.a. bei Eintracht Braunschweig), Bernd Nehrig (34, ehemals St. Pauli) oder Pardis Fardzhad-Azad (32, u.a. bei Inter Baku in der ersten Liga Aserbaidschans) gezielt mit jüngeren Spielern wie dem Finnen Kimmo Hovi (26, sechs Tore in dieser Spielzeit) oder dem Brasilianer Falcao (21, drei Tore und drei Vorlagen) ergänzt.

Nach Platz acht in der ersten Saison unter Muzzicato gelingt der Viktoria mit diesem Team schließlich ein optimaler Start in die "laufende" Spielzeit, in der sich die Berliner mit elf Siegen aus elf Spielen bis zur coronabedingten Unterbrechung souverän an der Tabellenspitze festsetzen. Mit der Verpflichtung des zweit- und drittligaerfahrenen vereinslosen Björn Jopek (27, zuletzt beim Halleschen FC) setzt der Regionalligist in der Spielpause zudem ein weiteres Zeichen dafür, dass der Aufstieg in die 3. Liga nun auch gelingen soll. Dort würde man dann vermutlich auch auf ein gesteigertes Zuschauerinteresse hoffen, schließlich ist der Besucherschnitt von 500 bis 700 Fans bei den Heimspielen vor Corona im 4.300 Zuschauer fassenden Stadion Lichterfelde in den vergangenen Jahren noch ausbaufähig gewesen.

Stadion nicht drittligatauglich

Klar ist aber: Da das Stadion Lichterfelde zu klein ist, wird die Viktoria in der 3. Liga in eine andere Spielstätte umziehen müssen – und Berlin dabei möglicherweise verlassen. Denn während das Olympiastadion und die Alte Försterei wohl zu teuer sind, ist der Jahnsportpark aufgrund einer Sanierung gesperrt. Auch das Poststadion (zu stark genutzt) und das Mommsenstadion (nicht drittligatauglich) sind derzeit keine Optionen. Entsprechend hat der Klub den Suchradius bereits auf Brandenburg ausgeweitet. Sollte die Viktoria mit dem geplanten Saisonabbruch zum dritten Berliner Profiverein aufsteigen, dürfte der Traditionsverein auch unter den Fußballfans der Hautstadt wieder eine größere Wertschätzung erfahren und vielleicht zumindest wieder teilweise an einstmals glorreiche Zeiten erinnern.

   

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