Vor Aufstiegsspielen: Doppel-Interview mit Capretti & Wolf

Im Doppel-Interview mit liga3-online.de sprechen Verls Cheftrainer Guerino Capretti und Lok Leipzigs Sportdirektor und Coach Wolfgang Wolf über die anstehenden Aufstiegs-Playoffs (Donnerstag, 17 Uhr / Dienstag, 16 Uhr) und Vorbereitungen auf den möglichen Sprung in die 3. Liga.

"Können nicht 90 Minuten durchpowern"

Nach langem Hin und Her und mehr als drei Monaten Spielpause steht am Donnerstag das Hinspiel der Relegation um den Aufstieg in die 3. Liga an. Wie anstrengend waren die zurückliegenden Monate – vor allem für Ihre Nerven, Herr Capretti und Herr Wolf?

Guerino Capretti: Es war eine außergewöhnliche Situation mit viel Ungewissheit. Auch jetzt ist ja noch nicht klar, wann und wie es in der kommenden Saison weitergehen wird. Das ist schon nervenaufreibend.

Wolfgang Wolf: Ach, wissen Sie: In meinem Alter kann mich nicht mehr so viel schocken. (lacht) Die Corona-Pandemie ist aber natürlich für die komplette Gesellschaft eine Herausforderung und es ist nicht leicht, in solchen Zeiten Entscheidungen von Tragweite zu treffen. Bei Lok Leipzig sind wir einfach froh, dass es nun wieder losgeht – auch wenn es ohne Zuschauer nur ein Teil des Sports ist, den wir alle so lieben. Der Fußball hat uns enorm gefehlt.

Mittlerweile ist auch für Klubs unterhalb der 3. Liga wieder Training mit Körperkontakt möglich. Wie lief die Vorbereitung auf die Relegationsspiele?

Capretti: Zunächst ziemlich holprig. Es hat verständlicherweise gedauert, bis die Mechanismen gegriffen haben. Die Spieler mussten nach der langen Pause erst einmal wieder mit der höheren Belastung zurechtkommen. Wir haben uns in den letzten Wochen kontinuierlich gesteigert und befinden uns jetzt in einer guten Verfassung. Dennoch befürchte ich, dass beide Teams nicht bei 100 Prozent sein werden. Weder Lok Leipzig noch wir hatten die Möglichkeit, Testspiele zu absolvieren. Im Training lässt sich das nicht simulieren.

Wolf: Alles andere als optimal. Erst seit wenigen Tagen dürfen wir normal trainieren, von Bundesland zu Bundesland gab es da ja große Unterschiede. Wir haben bis zuletzt im Gruppentraining versucht, uns so gut wie nur irgendwie möglich auf die Relegation vorzubereiten und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Belastungssteuerung gelegt. Mit normalem Spielbetrieb waren die zurückliegenden Trainingswochen natürlich nicht zu vergleichen.

Welche Rolle spielt die Reihenfolge des Heim- und Auswärtsspiels für Sie?

Capretti: Keine wichtige. Aber falls wir uns durchsetzen, ist es natürlich schön, dass wir nach dem Rückspiel nicht noch vier Stunden nach Hause fahren müssen und den Aufstieg direkt feiern können.

Wolf: Das ist absolut uninteressant, weil ohne Zuschauer die Stadionatmosphäre fehlt. Unabhängig davon, wo die Partien stattfinden, wird es entscheidend sein, gut reinzufinden. Es ist nämlich nicht selbstverständlich, nach so langer Zeit ohne Pflichtspiel von Beginn an voll da zu sein. Außerdem müssen wir uns die Kräfte gut einteilen. Wir können nicht 90 Minuten durchpowern – vor allem nicht bei den heißen Temperaturen, die für die kommenden beiden Wochen angesagt sind.

Während sich die Profiklubs schon an Geisterspiele gewöhnt haben, wird das für Verl und Leipzig neu sein. Wie stellen Sie Ihr Team auf diese besondere Situation ein?

Capretti: Wir müssen das Drumherum ausblenden. Auch bei einem vollen Stadion würde ich das von den Spielern verlangen. Dass es ein Geisterspiel ist, darf keine Rolle spielen und wir werden uns davon nicht aus der Bahn werfen lassen.

Wolf: Den zusätzlichen Push unserer Fans werden wir schmerzlich vermissen. In einem solchen Spiel an seine Leistungsgrenze gehen zu können, ist vor allem Kopfsache. Aber wir wissen nun schon länger, dass wir auf Zuschauer verzichten müssen und wir werden mit der Situation klarkommen. An dieser Stelle möchte ich betonen, dass Geisterspiele auch etwas Positives an sich haben können – das haben die letzten Wochen in den deutschen Profiligen gezeigt. Der Umgang miteinander auf dem Platz ist derzeit deutlich kollegialer und fairer. Die Kommunikation mit den Schiedsrichtern ist respektvoller. Man merkt, dass der von den Rängen ausgehende Druck fehlt. Ich würde mir wünschen, dass auf dem Spielfeld auch noch so miteinander umgegangen wird, wenn wieder alles normal läuft.

 

"Es würde aber sicher eine spontane Party geben"

Fehlende Zuschauer werden im Bruno-Plache-Stadion des 1. FC Lok durch Plüschtiere ersetzt. Was hat sich der SC Verl für das Rückspiel ausgedacht, Herr Capretti?

Capretti: Die Planungen dafür laufen, noch ist aber nichts spruchreif. So viel kann ich schon einmal verraten: Plüschtiere werden es definitiv nicht. (lacht)

Verl und Lok Leipzig trafen noch nie in einem Pflichtspiel aufeinander, das Duell am Mittwoch ist eine Premiere. Wie gut kennen Sie den Gegner und wie stehen die Erfolgschancen?

Capretti: Es ist insgesamt meine erste Partie gegen Lok Leipzig. Auch zu meiner Zeit als Spieler gab es nie ein Aufeinandertreffen. Wir haben den Gegner analysiert und wissen, dass wir es mit einem Team bestehend aus vielen robusten Spielern zu tun bekommen. Der 1. FC Lok ist mental stark, verfügt über eine sehr gute Offensive und überzeugt mit schnellem Umschaltspiel. Es wird wichtig für uns sein, dass eine mögliche Anfangsnervosität schnell verflogen ist. Wir müssen die aktive Mannschaft sein und das Heft in die Hand nehmen, um erfolgreich aus der Relegation hervor zu gehen.

Wolf: Verl hat eine beeindruckende Saison gespielt. In der starken West-Staffel so gut dazustehen, ist eine Top-Leistung und dafür gebührt dem Team Respekt. Eine der großen Verler Stärken ist der Angriff. Der SCV macht aus wenigen Chancen viel, deshalb dürfen wir nur wenig zulassen. Die Chancen stehen 50:50. Wie so oft in solchen Entscheidungsspielen, werden Kleinigkeiten den Ausschlag geben.

Ist Ihr Klub im Falle eines Aufstiegs gut auf die 3. Liga vorbereitet?

Capretti: Die Unterlagen sind entsprechend der Vorgaben des DFB eingereicht worden. Dies hat der DFB bereits bestätigt. Wir gehen von der Lizenzerteilung aus und planen derzeit natürlich zweigleisig. Auch die Stadionfrage ist mittlerweile geklärt, wir könnten in Paderborn unsere Heimspiele austragen. Der Rahmen ist also geschaffen. Es wurde im Verein in den letzten Monaten hart gearbeitet, um das möglich zu machen. Jetzt sind wir als Team dran, um uns den großen Traum von der 3. Liga zu erfüllen.

Wolf: Wir sind gerüstet und wollen in der Relegation den letzten Schritt machen. Aber auch danach steht noch viel Arbeit an. Abhängig vom Ausgang der Relegation müssen Verträge verlängert und neue Spieler verpflichtet werden. Außerdem verkünden wir unseren neuen Trainer, der natürlich bei der Mannschaftsgestaltung schon eingebunden ist.

Der neue Trainer steht also schon fest, Herr Wolf?

Wolf: Ja. Wir haben uns aber bewusst für eine Bekanntgabe nach der Relegation entschieden, um uns zu 100 Prozent auf die Aufstiegsspiele zu konzentrieren und die Lage nicht noch stressiger zu machen, als sie ohnehin schon ist.

Bei einem Aufstieg wird es trotz Corona sicherlich in kleinerem Rahmen Feierlichkeiten geben. Gibt es schon konkrete Planungen?

Capretti: Nein, darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht. Es würde aber sicher eine spontane Party geben. Spontan macht das doch eh mehr Spaß. (lacht)

Wolf: Auch wir haben nichts geplant. Aber wenn die Jungs feiern wollen, machen sie das auch. Ich habe keine Bedenken, dass sie sich im Falle des Aufstiegs etwas einfallen lassen.

   

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