Wagner im Interview: "Damit war nicht unbedingt zu rechnen"
Im Interview mit liga3-online.de spricht Robert Wagner aus der U23 des SC Freiburg über den starken Saisonstart der Breisgauer, seinen steilen Aufstieg zum Bundesliga-Spieler, das Erfolgsgeheimnis des SCF sowie über prägende Jahre in der Freiburger Fußballschule.
"Enormen Respekt erarbeitet"
liga3-online.de: Herr Wagner, Ihre Mannschaft musste vor der Spielzeit zahlreiche Abgänge kompensieren. Überrascht es Sie, dass nach neun Spielen schon 17 Punkte auf dem Konto stehen?
Robert Wagner: Damit war sicher nicht unbedingt zu rechnen. Der eine oder andere Gegner denkt sich vielleicht: 'Da kommt eine U23-Mannschaft, die wir locker wegfegen.' Aber bereits im vergangenen Jahr haben wir uns enormen Respekt erarbeitet. Nachdem wir aber auch in dieser Spielzeit gut gestartet sind, merkt man, dass die Anerkennung der anderen Teams immer größer wird.
Insbesondere die Defensivarbeit funktioniert herausragend. In neun Partien mussten Sie gerade mal acht Gegentore hinnehmen. Auch für Sie persönlich geht der Weg steil nach oben: Im Januar unterschieben Sie den Profivertrag. Am 4. Spieltag feierten Sie gegen den VfL Bochum beim 1:0-Sieg Ihr Bundesliga-Debüt, wurden kurz vor Schluss eingewechselt. Aktuell reisen Sie mit den Profis durch Europa. Das muss sich doch für Sie wie im Märchen anfühlen – oder nicht?
So kann man das durchaus beschreiben. Als kleiner Junge hatte ich immer davon geträumt. Wenn es dann so schnell geht, fühlt sich das alles schon komisch an. Da benötigst du eine gewisse Zeit, um alles zu begreifen. Noch vor einem knappen Jahr hätte ich niemals damit gerechnet, so schnell in den Profikader zu rutschen.
Vorwiegend spielen Sie im defensiven Mittelfeld. Sie fühlen sich aber offensichtlich auch auf der Achterposition wohl. Als Vorbild haben Sie mal Kevin de Bruyne genannt. Gibt es bestimmte Dinge, die Sie sich von ihm abschauen?
Ich schaue mir sehr viel von ihm ab. Interessant finde ich vor allem seine Tiefenläufe und seine Fähigkeit Räume zu erkennen.
Sie haben die Freiburger Fußballschule über viele Jahre durchlaufen. Inwieweit hat Sie diese Zeit geprägt?
Da ich nicht im Internat gewohnt habe, bin ich lange von meinem Heimatort Lahr (Schwarzwald) zum Training gependelt. Meine Eltern mussten mich dreimal in der Woche zum Training fahren, 45 Minuten hin und 45 Minuten zurück. Danach standen die Hausaufgaben, spätabends Schule und anschließend wieder das Training an. Das war für mich in so jungen Jahren sehr stressig und hat mich insoweit geprägt, als dass ich mit der Zeit sehr ehrgeizig geworden bin. Darüber hinaus vermittelt die Fußballschule Werte wie Bodenständigkeit und Disziplin. Darüber bin ich sehr froh.
Schon sehr früh sind Sie vom SC Lahr zum SC Freiburg gewechselt. In der U13 entschieden Sie jedoch zwischenzeitlich, zu ihrem Heimatverein zurückzukehren. Wie kam es dazu?
Die angesprochene Fahrerei hat mir damals ein wenig den Spaß am Fußball genommen. Ich habe mich dann entschieden, ab der U13 wieder für den SC Lahr zu spielen, weil ich wieder mit meinen Kumpels zusammen kicken wollte. Der Kontakt zum SC Freiburg ist jedoch nie verloren gegangen. Chefscout Christoph Wetzel-Veilandics hat mich dann in einem persönlichen Gespräch davon überzeugt, es nochmal ab der U15 zu versuchen. Offensichtlich war es die richtige Entscheidung (schmunzelt).
"Gibt einige Parallelen zwischen Stamm und Streich"
Der SC hat eine so hohe Durchlässigkeit wie kaum ein anderer Bundesliga-Klub. Worin liegt aus Ihrer Sicht das Erfolgsgeheimnis der Nachwuchsarbeit im Breisgau?
In der Fußballschule wird darauf geachtet, dass man sehr früh sehr technisch trainiert. Im Spiel hilft einem das ungemein, wenn man genau weiß, wie ein Ball gespielt werden muss. Zudem wird sehr viel Wert auf Bodenständigkeit und ein familiäres Umfeld gelegt. In beiden Teams ist kein Spieler neidisch auf den anderen, auch wenn er mal nicht spielt. Es hilft uns auch sehr, dass die zweite Mannschaft denselben Fußball spielt wie die Profis. Wenn man dann hochgezogen wird, dann fällt einem alles leichter. Schließlich kennt man ja die ganzen Abläufe. Die 3. Liga bietet für Talente zudem die besten Entwicklungsmöglichkeiten, denn über Spiele für die U23 kann man auch ohne Einsatz im Rhythmus bleiben.
Nicht wenige spekulieren, dass U23-Coach Thomas Stamm irgendwann einmal die Nachfolge von Christian Streich übernimmt. Sehen Sie Parallelen zwischen beiden Trainern?
Es gibt in der Tat einige Parallelen zwischen Thomas Stamm und Christian Streich. Beide legen sehr viel Wert auf kurze Pässe und arbeiten darauf auch aktiv in den Einheiten hin. Wir integrieren viele Ballbesitzübungen ins Training. Zudem spielen wir sehr oft Rondo. Dadurch entwickelst du automatisch ein gutes Ballgefühl und bist irgendwann automatisch in der Lage, Drucksituationen gut zu lösen. Mir persönlich hilft das sehr, weil ich am Ball noch viel ruhiger werden muss. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, dass beide sehr detailliert vorgehen. Nach jedem Spiel findet eine gemeinsame Analyse im Meetingraum statt.
Zu welchen SC-Spielern haben Sie den engsten Kontakt?
Grundsätzlich verstehe ich mich mit allen gut. Am engsten ist der Kontakt aber mit den jüngeren Spielern, wie zum Beispiel Noah Weißhaupt oder Noah Atubolu. Wenn ich demnächst zur U20-Nationalmannschaft fahre, werde ich mir wahrscheinlich ein Zimmer mit meinem SC-Teamkollegen Kenneth Schmidt teilen. Vor seinem Wechsel zum BVB habe ich mich auch mit Nico Schlotterbeck oft unterhalten.
Was haben Sie sich persönlich für die Zukunft vorgenommen?
Langfristig möchte ich mich auf jeden Fall im Profikader durchsetzen. Sollte mir das nicht gelingen, könnte ich mir auch eine Ausleihe zu einem Zweit- oder Erstligisten vorstellen.