Warum Preußen Münster die 3. Liga aufmischt
In einer Saison, in der Preußen Münster unter den schwierigsten Rahmenbedingungen seit dem Aufstieg in die 3. Liga antreten musste, sind die Westfalen zu einer faustdicken Überraschung mutiert: Als Tabellenzweiter mischt der SCP derzeit fröhlich im Kampf um die 2. Bundesliga mit. Woran liegt der Aufschwung und wo liegen mögliche Stolpersteine?
Der Trainer kennt nur den Weg nach oben
Seit nicht einmal einem Jahr ist Marco Antwerpen nun Trainer des SC Preußen – doch unter ihm kannte der Verein sportlich nur noch den Weg nach oben. Am Sonntag hat sich in Meppen so etwas wie ein Kreis geschlossen: Er startete im Januar dieses Jahres noch mit einer 0:2-Niederlage im Emsland in sein Traineramt, damals hatten die Adlerträger ernsthafte Sorgen, den Klassenerhalt zu schaffen. Nun siegte er beim SVM mit 2:1 und festigte damit die zweite Tabellenposition.
Es ist der vorläufige Höhepunkt einer bärenstarken Entwicklung, die die Mannschaft gezeigt hat. Weil Münster im Sommer erneut knapp bei Kasse war, blieben Krachertransfers ein Ding der Unmöglichkeit – stattdessen musste der Sportclub sogar wichtige Spieler abgeben. Antwerpen kam es sicherlich gelegen, dass das Team ohnehin sehr homogen geworden ist: Es ist weniger schwierig als früher, Grüppchenbildung zu verhindern und Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Antwerpen schafft es jedoch, taktische Impulse zu setzen und gemeinsam mit Co-Trainer Kurtulus Öztürk, ein nicht minder wichtiger Baustein des Erfolgs, die Elf tagtäglich zu motivieren.
Ganz nebenbei hat er Talenten wie Cyrill Akono und allen voran Jannik Borgmann das Vertrauen geschenkt, Spieler wie Fabian Menig, Lion Schweers und Martin Kobylanski auf ein neues Niveau gehievt. Gewiss verzockte sich der Coach in seinen zehn Monaten in Münster auch hin und wieder. Dann zeichnete es ihn aber aus, sich kritisch zu hinterfragen – und bislang noch jedes Mal eine gewiefte Lehre aus seinen Fehlern zu ziehen, die das Team noch variabler, noch stärker machte.
Sportdirektor als unscheinbarer Erfolgsfaktor
Malte Metzelder führt den SCP mittlerweile seit 18 Monaten als Sportdirektor als ruhiger Vertreter seiner Art, große Reden schwingt er selten. Er operiert angesichts des begrenzten Etats ständig am offenen Herzen – in diesem Sommer ist ihm das, wie bislang festzustellen ist, herausragend gelungen. Der schmerzhafte Verlust von Sturmtank Adriano Grimaldi fällt kaum ins Gewicht, auch weil Rufat Dadashov aus der Regionalliga nach kurzen Anpassungsproblemen zur Stelle war. Die Verpflichtung von René Klingenburg im Mittelfeld war ein Volltreffer und auch Niklas Heidemann überzeugte bislang als Linksverteidiger. Und, ganz nebenbei: Metzelder war auch für die Trainersuche im Winter des vergangenen Jahres zuständig – und lag mit Antwerpen goldrichtig.
Vor einigen Jahren war Preußen Münster noch, salopp formuliert, eine überalterte Kumpeltruppe. Mittlerweile hat sich das Gesicht des Teams völlig verändert, und damit einher geht ein völlig neues taktisches Konzept – weg vom langsamen Spielaufbau über eigenen Ballbesitz hin zu pfeilschnellen Gegenstößen. Marco Antwerpen fordert in jeder Spielsituation rasche Entscheidungen, fordert den schnellen Torabschluss. Dafür riskiert er, dass ein Ball auch mal schneller als gewünscht wieder wegverteidigt werden muss.
Stimmte die Balance in den Anfangswochen der Spielzeit noch nicht immer, hielt die "westfälische Mauer" jüngst immer besser. Drei der Münsteraner Urgesteine Simon Scherder, Ole Kittner, Lion Schweers und Jannik Borgmann sind in der Defensivzentrale gesetzt, als taktisches Schema hat sich ein 3-5-2 bewährt. Und geht das temporeiche, schnörkellose Spiel, das die Fans zu überzeugen weiß, nicht auf, so ist Martin Kobylanski immer für einen genialen Moment zu haben. Eine starke Mischung.
Die Wochen der Entscheidung
So positiv der Lauf von Preußen Münster auch ist, die Entscheidung über die Zukunftsfähigkeit des Clubs wird aktuell längst nicht nur auf dem Rasen getroffen. Während sich die Anhänger im Münsterland nichts sehnlicher wünschen als die Rückkehr in die 2. Bundesliga nach fast 30 Jahren, laufen im Hintergrund die Diskussion über einen Stadionumbau oder gar Neubau außerhalb der Stadt, den der Verein nach wie vor favorisiert. Ob dieser tatsächlich umgesetzt werden kann, steht bislang noch in den Sternen. Bis Jahresende soll eine Absichtserklärung aller an einem möglichen Neubau direkt Beteiligten vorliegen – andernfalls droht das große Projekt, initiiert von Aufsichtsratsmitglied Walther Seinsch, zu platzen. Es wäre ein harter Schlag ins Kontor, denn dann wäre die Finanzierung des Clubs im Profifußball kaum gesichert. Investoren würden abspringen, Preußen Münster wäre trotz Ausgliederung auf sich gestellt.
Allerdings würde ein möglicher Aufstieg, so theoretischer Natur er zu diesem Zeitpunkt noch ist, gewiss einen Einfluss auf die schier endlosen politischen Debatten nehmen. Einen besseren Zeitpunkt, um mit sportlichen Argumenten einen Einfluss auf die Zukunft des Vereins zu nehmen, hätte sich die Mannschaft von Preußen Münster also kaum aussuchen können. Schon am Samstag gegen 1860 München wird sich eindrucksvoll zeigen, welch Euphorie das Team in der westfälischen Großstadt ausgelöst hat: Der Verein erhofft sich mehr als 12.000 Zuschauer im Preußenstadion – es wäre ein fast ausverkauftes Haus.