Kommentar: Was Hansa Rostock mit Marc Fascher verlieren würde

Er sei „zum Abschuss freigegeben“. So bezeichnete Trainer Marc Fascher seine aktuelle Situation, auch wenn er laut eigenen Angaben kein offizielles Punkt- oder Sieges-Ultimatum vom Verein erhalten habe. Unter diesem Gesichtspunkt legte sich eine wundersame Aura über die obligatorische Pressekonferenz des FC Hansa vor dem Spiel gegen Arminia Bielefeld. Fascher wirkte angespannt und doch ehrlicher denn je, bemüht, keiner einzigen Phrase Raum zu schaffen. Einmal mehr belegte er in seinen Antworten den Faktor, auf den es in den kommenden Spielen erneut ankomme: Psychologie. Die Moral sei zu Wochenbeginn am Boden gewesen, was nach der Last-Minute-Niederlage gegen Osnabrück, nach einer 0:2 Führung, verständlich war. Und doch lastet nun auch Marc Faschers persönliches Schicksal auf dem Rücken der ersatzgeschwächten Mannschaft, die im Spiel gegen die Arminia ohne ihre Leitwölfe Ken Leemans und Sebastian Pelzer auskommen muss. Wenn es nach den Medienberichten in Rostock geht, dann wird es bei einer erneuten Niederlage das letzte Spiel sein, was Marc Fascher auf der Bank des FC Hansa bestreiten wird. Zu gefährlich sei die Situation der Hanseaten, trotz sieben Punkten Vorsprung auf die Babelsberger auf Platz 18, gegen die noch das Nachholspiel aussteht. Dementieren wollte bisher keiner die Medienberichte in Rostock, um die schützenden Kräfte für Fascher, wie Sportvorstand Uwe Vester, war es zuletzt eher ruhig, während Vester Fascher Anfang des Jahres noch vehement verteidigt hatte. Hat Fascher keine Basis mehr in Rostock? Steht seine vorzeitige Entlassung bei einem Misserfolg gegen Bielefeld fest? Es wäre ein grober Fehler.

Es roch nach Aufbruch

Als man Marc Fascher im September 2012 als Nachfolger von Wolfgang Wolf vorstellte, kam der 44-jährige Hamburger mit besten Empfehlungen nach Rostock. Er sei einer dieser „Konzepttrainer“, einer wie Klopp, Tuchel, Dutt, Lieberknecht, einer mit Vision, mit einem Plan. Den westfälischen Traditionsverein Preußen Münster hatte er 2011 mit Bravour zurück in den Profifußball geführt, ein Kunststück, was bei allem Erfolg auch noch schön anzusehen war. Noch heute hält man in Münster große Stücke auf den Aufstiegstrainer, nicht wenige schreiben seiner Vorarbeit von damals den heutigen Erfolg der Preußen in der 3. Liga zu. Fascher war der erste Mosaikstein, hin zu einer neuen Zukunft des FC Hansa. Er löste mit seiner bodenständigen, direkten Art den extrovertierten, zuletzt beinahe egozentrisch wirkenden Wolfgang Wolf ab und begründete damit ein ganz neues Klima an der DKB-Arena. Es roch nach Aufbruch, auch, weil Fascher mit den Hanseaten eine Serie von sechs Siegen in acht Spielen startete. Dieses positive Gefühl wurde durch die Vorgänge untermauert, die rund um den Verein in seine bisherige Amtszeit fielen, mit Sportvorstand Uwe Vester verstand er sich auf Anhieb blendend, man war entzückt über das gemeinsame Verständnis der zukünftigen Philosophie des FC Hansa. Fascher lobte regelmäßig die Treue der Fans, erst vergangene Woche vor dem Spiel gegen Osnabrück zeigte er sich begeistert über rund 50 Anhänger, die sich Zutritt zum Geheimtraining der Rostocker verschafften, und ihrer Meinung Luft verliehen. Als die Südtribüne zum Rückrundenauftakt gegen Faschers ehemaligen Arbeitgeber, die Preußen aus Münster, wieder die Tore öffnete, schien an der Ostsee zum ersten Mal seit Jahren, trotz kritischer Finanzsituation, trotz verschwindend geringen Chancen auf den Aufstieg, alles seinen richtigen Weg zu gehen. Man wollte die Saison gebührend beenden, um dann 2013/14 richtig anzugreifen.

Ein Zusammenspiel aus Missgeschicken

Das Schicksal machte der Kogge einen Strich durch die Rechnung. Im Jahr 2013 gelang Faschers Mannschaft trotz Transfers im Winter nur ein Sieg in neun Spielen, jahresübergreifend konnte der FC Hansa in 14 Spielen nur in einem dreistellig punkten. Die Begründungen dafür waren so mannigfaltig, dass manche Fans des FC Hansa sie kaum ernst nehmen konnten, dabei waren sie keine Phrasen, keine fadenscheinigen Ausreden, es waren Begründungen mit Hand und Fuß, die Wahrheit, wenn man so will, die im Profifußball allerdings selten etwas zu suchen zu haben scheint. Die Mannschaft ging der taktischen Vorstellung Faschers völlig ab, wenige Spieler hatten deswegen in seinem System einen Stammplatz. Der große und kräftige Ondrej Smetana im Sturm, der unter Fascher schier aufblühte, der drahtige und flinke Ex-Stürmer Alex Mendy, der als rechter Verteidiger agierte, dazu der Allrounder Leonhard Haas. Aus den anderen Spielern versuchte sich Fascher ein Team zu basteln, welches die Saison unbeschadet überstehen würde. Anfangs funktionierte das überraschend gut, dann machte sich die fehlende Kondition des Teams bemerkbar, ein Mangel aus der Vorbereitung unter Wolfgang Wolf, und man schleppte sich in die Winterpause. Hier holte Fascher ausnahmslos pass- und laufstarke Leihspieler, um die Spielkultur in Reihen der Hanseaten etwas zu entfachen, zurück in Deutschland machte ihm der Winter einen Strich durch diese Rechnung. Schnee- und Spielausfälle machten es unmöglich für die Mannschaft, sich unter Wettkampfbedingungen gegen kleinere Gegner wie Burghausen und Darmstadt einspielen zu können. Als der Schnee wegtaute, hinterließ er in den meisten Stadien der 3. Liga einen Rasen, der seinem Namen nicht würdig war. So musste Fascher wieder auf „kick and rush“ setzen, allerdings ohne den dafür so wichtigen Smetana, der seit der Winterpause verletzt ausfiel. Ersatzmann Johan Plat passte nicht in dieses System und blieb unter seinen Möglichkeiten, zudem hatte Fascher mit den Leihspielern zwar spielerische Qualität dazugewonnen, diese ließen aber in wichtigen Spielen wie gegen Halle kämpferisch erheblich zu wünschen übrig. Dazu kamen die regelmäßigen Aussetzer von Maurice Trapp, sowie eine kuriose Anzahl von Handelfmetern gegen die Rostocker und als Höhepunkt das Last-Minute-Tor am vergangenen Samstag in Osnabrück.

Vertrauen und Ruhe

Wer bis hierhin Fascher die Schuld in die Schuhe zu schieben versuchte, war auf dem Holzweg. Man mag ihm zu Recht vorwerfen können, dass er zu lange und unter suboptimalen Bedingungen an den Leihspielern im Team festhielt, sein Versagen waren die vergangenen 14 tragischen Spiele aber keinesfalls. Im Gegenteil: Fascher versuchte bis zuletzt, alles Menschenmögliche zu bewegen, um den Erfolg zurück nach Rostock zu bringen. Er vermied es bisher stets, die Spieler öffentlich zu kritisieren, wie sehr die Medien auch drum bettelten, er verweigerte es, nach den entsprechenden Niederlagen einen Sündenbock zu suchen, so lange, bis man des Bettelns müde wurde und Fascher sich, ganz nach den Regeln der Branche und entgegen des realistischen Gefühls, nun im Kreuzfeuer wiederfindet. Dabei ist er, bei all der Misere, der Letzte, der infrage zu stellen ist. Erst recht, wenn man sich an die langfristige Planung des ehemaligen Erstligisten erinnert, in der Fascher ein wichtiger Aspekt ist. Wie ein Rettungsboot entsandte der Trainer demnach vor einigen Wochen die Geschichte von Braunschweigs Torsten Lieberknecht in die Diktiergeräte, bat eingängig um eben dieses entgegengebrachte, langfristige Vertrauen, um die Ruhe, die dafür nötig ist, die Mannschaft wieder in die Erfolgsspur zu bringen und zur nächsten Saison eine konkurrenzfähige Mannschaft für den Kampf um den Aufstieg aufzubauen. Vor dem Spiel gegen Bielefeld wirkte er kurzzeitig fast froh über die Entlassungsgerüchte zu seiner Person, so habe wenigstens die Mannschaft in Ruhe arbeiten und das Spiel ins Osnabrück verdauen können. Es machte beinahe den Eindruck, als wäre sich in Rostock kaum einer darüber bewusst, welchen Charakter man bei einer Entlassung Faschers verlieren würde, welches wichtige Puzzleteil für eine zielstrebige und nachhaltige mögliche Zukunft in den oberen Ligen Deutschlands ersetzt werden müsste.

Grundsatzentscheidung für den FC Hansa

Gewinnt der FC Hansa am kommenden Samstag auch gegen die deutlich stärkeren Bielefelder nicht, hat der Verein zwei Möglichkeiten: Entweder er besinnt sich darauf, dass nach wie vor sieben Punkte zwischen der Kogge und den Abstiegsplätzen liegen und man nach dem höchstwahrscheinlichen Klassenerhalt einen Trainer mit einer klaren Zukunftsvorstellung hat, die sich mit der Vision des gesamten Vereins deckt, oder man gibt dem Gesetz der Branche nach und feuert zu einem höchst unsinnigen Zeitpunkt in der Saison den Trainer, um sich dann in der Sommerpause einmal mehr hinzusetzen und die Zukunft zu diskutieren. Fascher hat alle Fähigkeiten, die ein moderner Trainer benötigt, gerade in einem Verein mit einer hohen Dichte an jungen Spielern aus der eigenen Jugend. Er beherrscht psychologische Hintergrundarbeit, sieht in den Spielern auch die fehlbaren Menschen. Er hat ein taktisches Verständnis, welches aber Zeit, Geduld  und die passenden Spieler benötigt, Komponenten, die ihm nach dieser Saison versprochen wurden. Bis hierhin hat Fascher mit Kompromissen gearbeitet, hat versucht das Beste daraus zu machen. Im Grunde würde seine effektive Arbeit erst im Sommer beginnen. Voraussetzung ist dafür aber, dass man ihn lässt.

FOTO: Flohre Fotografie

   

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