Was für eine unglaubliche 3. Liga!

Wir haben alle gehofft. Wir haben sogar gebangt, dass uns diese 3. Liga, die wir im Vorhinein so viel gelobt haben, enttäuschen wird. Dass wir uns zu viel versprochen haben. Doch jetzt, nach drei Spieltagen, wissen wir: Diese Saison wird wohl die beste, die diese Spielklasse je erlebt hat. Für die Erkenntnis brauchte Autor Jan Ahlers am Mittwochabend nur etwa fünf Minuten. Ein Kommentar.

Der Moment, an dem die Bremer Brücke ausrastet

Mittwochabend, erste Englische Woche. Es ist etwa zwanzig vor Neun, und die Spiele halten allesamt, was sie versprechen. Lotte gegen Großaspach ist so ziemlich durch, weil Lotte schlecht drauf ist und einen Elfmeter vergeben hat – da geht nicht mehr viel. Hansa zittert sich in Richtung Heimsieg gegen den SV Wehen Wiesbaden, es steht kurz vor Schluss 2:1. Energie Cottbus, bislang makellos aufspielender Aufsteiger, hat gerade das 0:2 gegen Unterhaching kassiert. Ein Dämpfer zeichnet sich ab. Ähnlich sieht es beim VfL Osnabrück aus, der in Unterzahl 1:2 gegen 1860 München zurückliegt. Und beim KFC Uerdingen und dem SV Meppen deutet nach einem Auf und Ab alles auf ein Unentschieden hin, das wohl auch gerecht wäre. Schon jetzt hat dieser 3. Spieltag, den Dienstag mit einbezogen, alles, was den Fußball toll macht. Überraschende Ergebnisse, wunderbare Tore, grandiose Stimmung. Doch es wird noch besser.

Es fehlt der Konferenz-Knopf bei der übertragenden Telekom Sport. Eigentlich könnte man als Neutraler in jede Partie hineinzappen, die Schlussphase verfolgen, mitfiebern. Ich entscheide mich für den VfL Osnabrück. Eine Mannschaft, die Euphorie entfacht hat. Gegen 1860 München kommen fast 14.000 Zuschauer, beinahe doppelt so viele wie üblich. Felix Schiller, dieser Unglücksrabe, hat eben per Notbremse die Rote Karte gesehen. Und doch rennt Lila-Weiß unermüdlich an, zieht weit in der Nachspielzeit einen Freistoß aus bester Position. Marcos Alvarez steht da, erinnert an Münsters Martin Kobylanski vom Vortag. Plötzlich ahne ich, was gleich passieren wird. Zehn Sekunden später kurvt Alvarez oberkörperfrei gen Kurve, die Bremer Brücke tickt völlig aus. Ich fühle mich bestens unterhalten.

… und plötzlich explodieren drei weitere Stadien!

Zur gleichen Zeit explodieren drei andere Stadien. Cebio Soukou verwandelt nicht nur einen Elfmeter in der Nachspielzeit, sondern auch das Ostseestadion in eine gewaltige Partyzone. Minuten zuvor hatte Wiesbadens Moritz Kuhn per Traumfreistoß den 2:2-Ausgleich erzielt – die letzte Wendung in dieser verrückten Spielklasse aber hatte Hansa parat. Hunderte Kilometer weiter südlich bebt die Lausitz: Energie Cottbus dreht einen 0:2-Rückstand noch in ein 2:2-Remis und braucht dafür gerade einmal zwei Spielminuten, zwischendurch kassiert Routinier Tim Kruse gar noch einen Platzverweis. Fast schon unter geht der KFC Uerdingen, für den Lucas Musculus gegen den SV Meppen in der Schlussminute das Ding dreht und den ersten Heimsieg unter Dach und Fach bringt. Zweimal die 88., einmal die 90. und gleich dreimal (!) die 93. Spielminute stehen mit Torvermerk auf den Bögen. Und nur zur Erinnerung: 24 Stunden vorher hatte Preußen Münster beim 1. FC Kaiserslautern den Anfang bereits gemacht, ebenfalls drei Punkte kurz vor knapp eingetütet.

Drei Spieltage, die in genau die richtige Richtung zeigen

Diese 3. Liga ist der Wahnsinn. Wir haben es beschworen, wir haben diese Spielklasse starkgeredet, mit Superlativen bedacht. Wir haben gehofft, dass sie trotz vieler finanzstarker Teams, trotz bockstarker neuer Spieler ihr Gleichgewicht behält und sich keine Zwei-Klassen-Gesellschaft bildet. Die ersten 270 Minuten zeigen in genau die Richtung, die jeden Fan der 20 Clubs, aber auch jeden neutralen Fußballbegeisterten köstlichst unterhält. Denn die Liga behält ihr wichtigstes Attribut, die Ausgeglichenheit. Drei Siege? Das hat keiner geschafft. Dafür spielen jetzt viele Teams mit toller, nein überragender Mentalität mit. Viel besser so! Ist Schwärmen erlaubt? Dann ist dieser Moment wohl wie geschaffen dafür. Und das Beste ist: Schon am Freitag geht es weiter. Man möchte der 3. Liga am liebsten zuflüstern, dass sie einfach so bleiben soll, wie sie gerade ist.

   

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