Wer lügt? Wer sagt die Wahrheit? Skurriler Streit bei 1860 München
Rekordverdächtige 27 Tage hat es gedauert, bis 1860 München am Montag mit Maurizio Jacobacci den Nachfolger von Michael Köllner vorgestellt hat. Doch wer gedacht hatte, dass mit dem Abschluss der Trainersuche wieder Ruhe bei den Löwen einkehren würde, sah sich gewaltig getäuscht. Vielmehr ist ein skurriler Streit darüber entstanden, wer Schuld am Chaos war.
Gegenseitige Vorwürfe
Zunächst hatte sich die Vereinsseite um Präsident Robert Reisinger am Sonntag zu Wort gemeldet und erklärt, dass Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel dem Aufsichtsrat seine Strategie für die Neubesetzung der Trainerposition "unmittelbar nach der Entbindung von Michael Köllner vorgestellt" habe. Dass sich die Entscheidung danach über einen Zeitraum von mehreren Wochen hingezogen habe, "lag nicht in unserer Verantwortung", hieß es.
Saki Stimonaris als Aufsichtsratsvorsitzender und Vertreter der Investoren-Seite widersprach dem zwei Tage später in einer eigenen Stellungnahme. Demnach sei dem Aufsichtsrat – anders als öffentlich kolportiert – keine Strategie für die Neubesetzung der Trainerposition vorgestellt worden. Ohnehin sei der Aufsichtsrat dafür auch gar nicht verantwortlich. Am Mittwoch schließlich meldete sich auch Investor Hasan Ismaik höchstselbst nach Wochen des Schweigens zu Wort und erklärte, von dem Köllner-Aus erst über Twitter erfahren zu haben. Eine Darstellung, die zumindest fraglich erscheint.
Power-Mail als Höhepunkt
Denn wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, habe die Geschäftsführung am Morgen der Köllner-Entlassung eine Mail an die Aufsichtsräte verschickt. Mit im Verteiler soll Ismaiks Statthalter Antony Power gewesen sein. Der Geschäftsführer der TSV 1860 Merchandising GmbH scheint diese Mail auch gelesen zu haben, schließlich habe er der "SZ" zufolge nur zwölf Minuten später geantwortet: "Hi Gunther, as per discussion with Mr. Hasan, if Koellner goes you go too. You must leave the club right away. Cordially, Anthony Power.“ Zu Deutsch: "Hi Günther, wie mit Mr. Hasan diskutiert, wenn Köllner geht, gehen Sie auch. Sie müssen den Klub sofort verlassen. Herzlich, Anthony Power."
Hat Power den Inhalt der E-Mail also nicht an Ismaik weitergeleitet? Und warum kommt Power zu der Annahme, dass Gorenzel gehen müsste, falls Köllner entlassen wird? Schließlich würde die Entscheidung darüber nicht vom Aufsichtsrat, sondern vom Beirat getroffen werden, in dem die Vereinsseite gemäß der 50+1-Regel die Stimmenhoheit hat.
Ein Streit, der nur Verlierer hat
Wer lügt und wer die Wahrheit sagt, bleibt offen. Was jedoch bleibt, ist ein Streit, der nur Verlierer hat. Und der die Löwen nach außen hin in keinem guten Licht erscheinen lässt. Ganz offensichtlich herrscht ein internes Kommunikationsproblem, das auch noch öffentlich zur Schau gestellt wird. Wobei es nicht neu ist, dass die Gesellschaft lieber über- statt miteinander reden.
Welche Auswirkungen die wochenlangen Unruhen hinter den Kulissen haben, zeigte sich angesichts von nur zwei Punkten aus der vergangenen vier Spielen zuletzt auf dem Platz. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Chaos um die Köllner-Entlassung und die langwierige Suche nach einem neuen Coach die Mannschaft zusätzlich verunsichert hat. Es ist nun die Aufgabe von Maurizio Jacobacci, der für die internen Querelen überhaupt nichts kann, das Team wieder in die Spur zu bringen und die Köpfe der Spieler freizubekommen. Ob ihm das gelungen ist, wird sich schon am Samstag im Heimspiel gegen Viktoria Köln zeigen.