"Wie Weihnachten!" FCS-Fan mogelt sich in Lübecker Stadion
Pandemie und Hygienekonzepte halten tausende von Auswärtsfahrern derzeit von ihren Reisen durch die Republik ab. Einer jedoch trotzte schon am ersten Spieltag allen Widerständen und stellte beim Aufsteiger-Duell zwischen Lübeck und Saarbrücken den wohl kleinsten Auswärtsblock der Geschichte.
Allein unter Lübeckern: "Keinen Mucks!"
Die Aussagen von FCS-Fan Carlos, die das Magazin "11 Freunde" aufgezeichnet hat, lassen zunächst an einen Agententhriller denken. "Ich werd' keinen Mucks von mir geben und mich komplett ruhig verhalten." Statt abzutauchen vor feindlichen Geheimdiensten oder Filmbösewichten tat der eingefleischte Fan am Samstag allerdings nur eines: Er besuchte den Saisonauftakt seines 1. FC Saarbrücken beim VfB Lübeck. Doch was heißt eigentlich "nur" – selbst Agentenlegende James Bond hätte derzeit wohl Schwierigkeiten, als Gästefan in ein deutsches Fußballstadion zu gelangen.
Passionierte Auswärtsfahrer haben dieser Tage kein einfaches Dasein, bei der eingeschränkten Zuschauerrückkehr schauen sie noch in die Röhre. So auch am Samstag in Lübeck. Der heimische VfB empfing Carlos' Saarbrücker an der altehrwürdigen Lohmühle, Fans des FCS sollten sich unter den zugelassenen 1.860 Besuchern eigentlich nicht befinden – eigentlich! Denn Carlos hatte geschafft, wovon viele andere nur träumen durften: Er erlebte den ersten Drittliga-Auftritt des FCS seit sechs Jahren hautnah. Es ging nicht anders. Immerhin hatte der Ostsee-Urlaub mit seiner Frau schon seit langem festgestanden, wie er dem Magazin erzählte. Als dann der Spielplan veröffentlicht wurde, packte Carlos wieder einmal die Liebe zum FCS. In seinem Feriendomizil wäre er schlichtweg "wahnsinnig geworden", wird der Fan zitiert. "Das erste Spiel will ich immer unbedingt sehen. Egal wo!"
"Habe mir vorgenommen, auf den Sitz zu schlagen"
Es ging für den 55-Jährigen also nicht mehr um das "Ob", sondern nur noch um das "Wie". Da nur Zuschauer mit Wohnsitz in der Region zugelassen waren, musste Carlos sich etwas einfallen lassen – und Carlos ließ sich etwas einfallen. Die Adresse seines Urlaubswohnsitzes erfüllte alle Kriterien, der 1.860. Besucher war plötzlich ein Auswärtsfan. Eine nicht unerhebliche Hürde blieb jedoch: Als Gäste-Anhänger konnte sich Carlos im Lübecker Block nicht zu erkennen geben.
Es brauchte also eine Taktik, um nicht aufzufliegen – gerade mit Blick auf mögliche FCS-Tore. "Ich habe mir vorgenommen, gegen eine Bande zu treten oder auf den Sitz zu schlagen, das können die nicht deuten", erzählt Carlos gegenüber dem Magazin, das den Fan am Samstag im Stadion begleitete. Dazu habe Carlos das FCS-Logo auf dem Sperrbildschirm seines Handys entfernt, auch die Maske sei weiß statt schwarz-blau gewesen, haben die "11 Freunde" beobachtet. Bis zur 76. Spielminute soll dem Einsiedler das Versteckspiel nicht schwergefallen sein, dann jedoch trifft sein "FC" zum 1:1-Ausgleich. Carlos blieb ruhig und soll sich lediglich erlaubt haben, das "VfB" in den Fangesängen der Lübecker durch ein genuscheltes "FCS" auszutauschen. Am Ende nimmt Saarbrücken einen Zähler mit. Eine Frage stellt sich allerdings noch: War es das wert? "Das", räumt Carlos alle Zweifel aus der Welt, "war heute wie Weihnachten".