"Wir sind Essener, und ihr nicht": Fan-Disput bei RWE trotz Sieg
Bei Rot-Weiss Essen war nach dem ersten Sieg im Profifußball seit 14 Jahren alles angerichtet für eine Party mit den Fans. Doch nach Schlusspfiff der Partie gegen Erzgebirge Aue (2:1) kippte die Stimmung plötzlich. Statt die Mannschaft zu feiern, wurde sie von den Fans ausgepfiffen. Simon Engelmann reagierte mit Unverständnis.
Lautstarke Pfiffe
Es waren seltsame und irritierende Szenen, die sich am Freitagabend im Stadion an der Hafenstraße abspielten. Was war passiert? Unmittelbar nach Spielende ging noch alles seinen gewohnten Gang. Die Fans jubelten, feierten den ersten Sieg in dieser Saison und sangen die Mannschaft herbei. Als diese vor die Westkurve kam, wurde sie zunächst mit frenetischem Applaus empfangen, blieb allerdings vor dem Sechzehner stehen. Und anstatt mit den Anhängern zu feiern, drehten die Spieler plötzlich ab. Erste Pfiffe waren die Folge, die mit zunehmender Dauer immer lauter wurden, als klar war, dass die Mannschaft nicht noch mal zurückkommen würde. Stattdessen gingen die Spieler in die Kabine, was das Fass bei den Anhängern endgültig zum Überlaufen brachte.
Warum das Team nicht mit den Fans feierte und in den Katakomben verschwand, erklärte Simon Engelmann bei "MagentaSport" so: "Letzte Woche gab es einen kleinen Vorfall auf der Rückfahrt". Gemeint war ein tätlicher Übergriff von RWE-Fans auf andere Essener Anhänger, den die Mannschaft auf einem Rastplatz hautnah mitbekommen hatte. Aus diesem Grund hatten sich die Spieler dazu entschieden, nicht mit den Fans zu feiern. Dass die Kurve dies mit gellenden Pfiffen quittierte, "verstehe ich nicht so ganz", merkte Engelmann an, während die Pfiffe eine ohrenbetäubende Lautstärke erreicht hatten.
Vielleicht müsse sich die Mannschaft "etwas überlegen", meinte der 33-Jährige, aber die negative Stimmung "muss jetzt nicht sein. Das gefällt mir gar nicht". Auch als die Spieler nochmal aufs Feld traten, schlugen ihnen diverse Mittelfinger und Gesänge wie "Wir sind Essener, und ihr nicht" entgegen. Per Megaphon versuchte Felix Herzenbruch die aufgeheizte Stimmung zu schlichten, anschließend diskutierten die Spieler noch lange mit den Fans am Zaun und konnten die Lage damit zumindest etwas beruhigen. Dennoch blieb ein mehr als bitterer Beigeschmack übrig.
Uhlig: "Das kotzt mich an"
Vorstandsvorsitzender Marcus Uhlig sprach gegenüber der "WAZ" von einer "beschissenen Situation" und erklärte bezüglich des Vorfalls nach dem Bayreuth-Spiel: "Die Mannschaft war involviert und hat gesehen, was dort passiert ist. Das macht was mit einem." Auslöser des Angriffs auf dem Rastplatz soll der Zeitung zufolge ein Streit darüber gewesen sein, wer wann in der Fankurve ein Lied anstimmen darf.
Gegen die Vorwürfe der Fans, die Mannschaft habe sich respektlos gegenüber der Anhängerschaft verhalten, wehrte sich Uhlig: "Die Mannschaft hat sich von allen Bereichen vernünftig verabschiedet und bedankt, aber nicht so enthusiastisch gefeiert, wie es nach so einem Spiel sonst der Fall gewesen wäre." Wenn es so rübergekommen sei, dass die Spieler die Fans bestrafen wollten, "dann sage ich: 'Sorry! Das war so nicht gemeint.'" Von oben angeordnet worden sei die Reaktion der Spieler nicht: "Es war der Mannschaft ein Bedürfnis, um zu zeigen, dass wir nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen können. Es sollte zum Nachdenken bewegen. Es hat die Mannschaft sehr beschäftigt, was letzte Woche passiert ist und das kotzt mich an."
Große Erleichterung nach erstem Sieg
Aus sportlicher Sicht war der Abend indes ein überaus erfolgreicher, gelang RWE doch der erste Sieg im Profifußball seit einem 2:0 gegen Greuther Fürth im Mai 2007 – über 15 Jahre ist das her. "Ich bin mega erleichtert, dass wir das heute ins Ziel gebracht haben", freute sich Engelmann, der an beiden Treffern durch Felix Bastians (23.) und Jose-Enrique Rios Alonso (63.) beteiligt war. "Ich habe lange darauf gewartet, dass ich 3. Liga spielen kann. Ich habe immer daran geglaubt, daran, dass ich diese Qualität besitze. Aber am Wichtigsten war, dass wir den Bock umgestoßen und endlich einen Dreier eingefahren haben".
Trainer Christoph Dabrowski war voll des Lobes: "Die Jungs haben bis zum Schluss alles reingehauen, haben den Ausgleich verkraftet." Durch den ersten Sieg in dieser Spielzeit reicht Essen die Rote Laterne an Aue weiter, verlässt zudem die Abstiegsplätze und geht nun mit breiter Brust in das Auswärtsspiel beim VfL Osnabrück am kommenden Freitag. Ob Fans und Mannschaft dann wieder zueinander finden? Das letzte Wort im schwelenden Konflikt scheint noch nicht gesprochen.