Youngsters gegen Routinier: Torhüter des F.C. Hansa im Vergleich
Dieter Schneider, Daniel Hoffmann, Perry Bräutigam, Martin Pieckenhagen, Matthias Schober. Die Torhüter des F.C. Hansa Rostock waren schon zu Erstligazeiten oftmals die tragenden Stützen der Mannschaft. Ob Rekordspieler Schneider, der 18 Jahre zur ersten Mannschaft der Kogge gehörte, Pieckenhagen, der regelmäßig zu den notenbesten Torhütern der Bundesliga zählte oder Schober, der die Mannschaft lange als Kapitän anführte und neben seinen Paraden dafür bekannt war, bei strittigen Schiedsrichterentscheidungen über das gesamte Feld zu sprinten, um den Schiedsrichter zur Rede zu stellen, unauffällige Keeper standen beim F.C. Hansa so gut wie nie zwischen den Pfosten. Doch während die Verantwortlichen in Rostock über viele Jahre auf externe Torwarttalente setzten (u.a. Bräutigam aus Nürnberg, Pieckenhagen aus Duisburg, Schober aus Hamburg), hat sich in den letzten Jahren, auch aus finanziellen Gründen, in Rostock der Trend durchgesetzt, auf Torhüter aus der erfolgreichen A-Jugend zu setzen. Mit Kevin Müller verließ die Nummer 1 der letzten zwei Saisons den F.C.H. in Richtung Stuttgart II, zum einen, weil er eine bessere Perspektive auf mögliche Bundesligaeinsätze sah, aber auch, weil er in Rostock nicht unumstritten war und zwischenzeitlich gar von der etatmäßigen Nummer 3 Johannes Brinkies verdrängt worden war. Brinkies, ebenfalls aus der eigenen Jugend, ist nun auch einer der drei Torhüter, mit denen der F.C. Hansa am kommenden Wochenende in die neue Saison startet. Anders als in den letzten Jahren ist der Abstand zwischen den drei Keepern aber nicht deutlich. Grund genug für liga3-online.de, einen Blick auf die drei Kandidaten zu werfen, die um die Nummer 1 kämpfen.
Johannes Brinkies – Lokalmatador und Favorit
Johannes Brinkies ist ein echter Mecklenburger Junge. Vom Verein seiner Heimatstadt Grevesmühlen in Nordwestmecklenburg ging es für „Pommes“ im Bundesland stetig weiter nach Osten, über den FC Anker Wismar schließlich im Alter von 11 Jahren zum F.C. Hansa nach Rostock, wo er das Jugendinternat bezog und seitdem das blau-weiße Trikot der Kogge trägt. Brinkies lief bereits für die U16 und die U19 Deutschlands als Torwart auf und schaffte seinen sportlichen Durchbruch in der ersten Mannschaft beim F.C.H. in der vergangenen Saison unter Marc Fascher, der dem Talent den Vorzug gegenüber dem wechselwilligen Kevin Müller gab und trotz der späteren erneuten Auswechslung der beiden Kontrahenten dafür sorgte, dass Brinkies nach dem Abgang von Müller als mehr oder weniger sicherer Nachfolger gilt.
Musste sich der 20-Jährige zu Beginn seiner Profikarriere noch an das massive Krafttraining von Ex-Torwarttrainer Alexander Ogrinc gewöhnen, so wirkt er heute kräftig und durchsetzungsstark. Anders als sein Vorgänger Müller zeigt Brinkies eine, für einen Torwart eher überraschende Extrovertiertheit, redet Klartext, wenn er gefragt wird, hält sich aber auch zurück, wenn es angebracht ist. Trotzdem ist die Kommunikation einer seiner Schwächen, denn anders als seine Kollegen gilt er auf dem Platz als ruhigerer Vertreter seiner Zunft. Mit Holst, Pelzer und Leemans hatte er in der Vorsaison Routiniers vor sich, bei denen seine Unerfahrenheit zur Crux wurde und es erschien, als würde er es sich als neuer Torwart nicht so recht trauen, die Respektpersonen des Mannschaftsrates zu dirigieren, was mit der stellenweisen Planlosigkeit der Abwehr einherging. Nun stehen ihm Ruprecht, Pelzer und Pekovic vor, allerdings ist Brinkies auch selbstbewusster als zu seinem überraschenden Debüt in der Vorsaison. Dieses Selbstbewusstsein könnte bei einem guten Saisonstart noch wachsen, sodass im Moment nichts gegen „Pommes“ als Nummer 1 spricht.
Jörg Hahnel – Routinier und Lautsprecher
Wer ein Training des F.C. Hansa besucht, hört oft schon von weitem eindringliche, direkte und lautstarke Ansagen in klangvollstem sächsisch. Diese kommen nicht vom Trainer oder vom Co-Trainer, sondern von Jörg Hahnel, der bärtigen Respektperson aus Erla im Erzgebirge. Hahnel ist der Routinier unter den Torhütern und mit seinen sieben Jahren länger im Verein, als alle anderen Spieler. Neun Trainer erlebte der 31-Jährige in seiner Zeit bei Hansa und spielte dabei eine ähnliche Rolle wie seinerzeit Christian Fiedler bei Hertha BSC. Während Fiedler nie an Stammtorhüter Gabor Kiraly vorbeikam und auch nach dessen Weggang nie lange die Nummer 1 blieb, positionierte sich Jörg Hahnel in seinen sieben Jahren an der Ostsee hinter Matthias Schober, Stefan Wächter, Alexander Walke und Kevin Müller.
Nur in der Saison 2008/2009 wurde er überraschend Stefan Wächter vorgezogen, 2010/2011 stoppte ihn eine Bandscheibenverletzung und hob Kevin Müller auf den Platz zwischen die Pfosten, wo dieser sich nach dem Aufstieg in die 2. Liga festspielte. Trotzdem ist Hahnel seit jeher die perfekte Nummer 2, sorgt im Team gar für gute Stimmung und ist seit Jahren Mitglied im Mannschaftsrat. Im Tor strahlt er absolute Ruhe aus und wurde von Wolfgang Wolf in der Abstiegssaison 2011/2012 in den letzten Spielen zur Nummer 1 befördert, um den psychisch überforderten Kevin Müller zu entlasten und die Chance auf den Klassenerhalt zu wahren. Er ist das perfekte Vorbild für Johannes Brinkies, da er ähnlich wie „Pommes“ eher extrovertiert auftritt, gleichsam aber aufgrund seiner Erfahrung dieses Selbstbewusstsein auch auf den Platz bringt und lautstark die Abwehr dirigiert. Hahnel erwartet nach Vertragsende eine weiterführende Anstellung beim Verein, so ist es zu erwarten, dass er seine Karriere auch ruhig an der Ostsee ausklingen lassen wird.
Fabian Künnemann – Youngster und Vizemeister
Fabian Künnemann hat die wohl steilste Karriere der drei Torhüter hingelegt. Als Neuzugang kam er vor einem Jahr aus der A-Jugend von Tennis Borussia Berlin nach Rostock, wo er direkt Stammkeeper wurde und seine Mannschaft mit seinen Paraden ins A-Jugend-Meisterschaftsfinale führte, sodass er direkt einen Profivertrag für die erste Mannschaft erhielt und nun als Nummer 3 in der zweiten Mannschaft Spielpraxis sammeln soll. Mit 19 Jahren ist der Vizemeister nur ein Jahr jünger als Johannes Brinkies, was für einen der beiden Fluch und für den anderen Segen ist. Fakt ist, dass sich in dieser Konstellation der bessere Torwart durchsetzen wird. Hier halten die Fußballexperten in Rostock Künnemann für die angehende Nummer 1, noch vor Brinkies. Dieser dürfte zwar als Nummer 1 in die Saison gehen, aber es ist durchaus zu erwarten, dass Künnemann sich ähnlich wie einst Brinkies seinen Weg von der Nummer 3 nach oben bahnt und zum Saisonende zumindest vor Jörg Hahnel als Nummer 2 auf der Bank sitzen dürfte. Bei einer langwierigen Schwächeperiode von Brinkies wäre es auch nicht ausgeschlossen, dass der bereits sehr kommunikative und mit starken Reflexen ausgestattete Künnemann ins kalte Wasser geworfen wird.
FOTO: Flohre Fotografie