Ziemer: "Vergeht kein Tag, an dem ich die Schmerzen nicht merke"
Im Interview mit liga3-online.de spricht Ex-Profi Marcel Ziemer, drittbester Torschütze der 3. Liga, über sein schmerzliches Ausscheiden aus dem aktiven Fußball, den Aufbau eines "Familien-Unternehmens" als Trainer, seine beeindruckende Bestmarke aus der Bundesliga und wem er in der 3. Liga noch die Daumen drückt.
"Mache hier nicht den Pausenclown"
liga3-online.de: Seit mittlerweile drei Jahren haben Sie bereits die Fußballschuhe an den Nagel gehangen. Fehlt Ihnen der aktive Fußball noch, Herr Ziemer?
Marcel Ziemer: Absolut. Wenn man so ausgeschieden ist wie ich, dann trauert man seiner Karriere schon ein wenig hinterher. Es ist etwas anderes, als wenn man einen runden Abschluss hatte. Bis zum Schluss habe ich alles dafür zu geben, wieder auf dem Platz stehen zu können, bis ich mich letztlich damit abfinden musste. Das war nicht immer einfach für mich. Mental war es eine Sache, die ich erst einmal verdauen musste. Ich bin froh, dass ich meine Familie um mich herum hatte, die mich immer wieder aufgefangen und aufgebaut hat. Vor allem meine Frau Jule war ein Anker in dieser schweren Zeit.
Ein langwieriger Kreuzbandriss und ein Knorpelschaden sorgten dafür, dass an Fußball nicht mehr zu denken war, weswegen Sie Ihre aktive Laufbahn bereits mit 33 beenden mussten. Spüren Sie noch immer die Verletzung?
Es vergeht kein Tag, an dem ich die Schmerzen nicht merke. Es tut noch immer genauso weh wie damals.
Mittlerweile bringen Sie Ihre Trainerlaufbahn ins Rollen. Nach einem Jahr bei der U15 der TSG Pfeddersheim sind Sie nun für die B-Junioren der TSG verantwortlich. Fühlen Sie sich wohl in der neuen Rolle?
Es macht mir unglaublich viel Spaß, mit den Jungs zu arbeiten. Das hilft außerdem dabei, meinen Schmerz ein wenig zu vergessen. Ich bin damals mit meinem Sohn Marc zur U 15 gekommen, habe ihn dort trainiert.
Hat er denn ein ähnliches Talent wie Sie?
Von der Spielintelligenz bringt er deutlich bessere Anlage mit, als ich sie in seinem Alter hatte. Ihm fehlt allerdings noch ein wenig das Tempo und die Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor. Den Ehrgeiz hat er allerdings wie sein Papa, was ihm manchmal auch zum Verhängnis wird. Aber auch mein zweiter Sohn Jonas macht gerade seine ersten Schritte in der U15 der TSG.
Also ist die Familie Ziemer bei der TSG Pfeddersheim sehr stark vertreten?
Das waren ja noch gar nicht alle (lacht). Mein Bruder Andre trainiert aktuell die U15. Dabei ist mein Sohn nicht das einzige Familienmitglied in seinem Team. Auch mein Neffe Danny, der Sohn meiner Schwester, ist in der C-Jugend aktiv. Noch einen Jahrgang darunter in der U13 kommt der Sohn von der Frau meines Bruders zum Einsatz. Es ist wie ein kleiner Familien-Unternehmen. Es macht viel Spaß, gemeinsam an einem großen Projekt zu basteln.
Was für ein Trainer-Typ sind Sie?
Ich mache hier auf jeden Fall nicht nur den Pausenclown. Ich versuche schon, eine nötige Struktur einzuführen und dabei Respekt sowie eine gerade Linie zu vermitteln. Ich bin kein Erzieher, dafür sind andere verantwortlich. Aber ich möchte, dass den Jungs etwas vom Training bleibt. Besonders der Teamgedanke wird bei mir in jeder Einheit große geschrieben. Aber so war ich auch schon als Spieler. Am wichtigsten ist aber vor allem, dass die Jungs Spaß am Spiel haben und sich dabei wohl fühlen.
Auf welchen Coach schauen Sie als Vorbild auf?
Es gibt einige Trainer, denen ich sehr gerne zuhöre, wenn sie über Fußball reden. Dazu gehören unter anderem Jürgen Klopp und Christian Streich. Mit ihrer authentischen Art schaffen sie es, Ihre Spieler zu motivieren und zu Höchstleistungen zu motivieren. Da spitzt man gerne mal die Ohren. Aber auch Thomas Tuchel oder Pep Guardiola sind im taktischen Bereich einzigartig.
Drittliga-Trainer? "Aktuell noch viel zu weit entfernt"
Wie eng sind Sie noch mit der 3. Liga verbunden?
Ich versuche, so viel wie möglich noch mitzubekommen. Das ist nicht immer einfach, aber dennoch möchte ich die Liga so gut es geht im Blick behalten. Zumal noch immer sehr viele meiner früheren Weggefährten, wie zum Beispiel Ronny König oder Soufian Benyamina, in der Liga am Ball sind. Aber auch die Geschehnisse um Sascha Mölders habe ich verfolgt, weil ich ihn als Typ klasse finde.
Zlatko Janjic hat Sie in der vergangenen Saison als zweitbesten Torschützen der 3. Liga abgelöst. Sie sind mit Ihren 73 Toren aber dennoch zufrieden, oder?
Wenn man bedenkt, dass ich in meiner Zeit beim SV Wehen Wiesbaden kaum getroffen hab, bin ich durchaus damit zufrieden, was sich am Ende daraus entwickelt hat. Ob ich nun Zweiter oder Dritter bin, spielt keine Rolle. Ich freue mich für Zlatko, mit dem ich in Wiesbaden noch zusammengespielt hatte. Er ist ein super Fußballer.
Eine beeindruckende Bilanz bleibt aber dennoch für die Ewigkeit: In 35 Minuten Spielzeit in der Bundesliga haben Sie für den 1. FC Kaiserslautern zwei Tore markiert. Wie stolz sind Sie auf diesen Wert?
Als junger Kerl war das nicht immer so einfach, mit dem plötzlichen Ruhm umzugehen. Aber es war auf jeden Fall etwas ganz Besonderes, in einem Atemzug mit Paolo Guerrero vom großen FC Bayern München als bester Joker genannt zu werden. Diesen Wert kann mir nun keiner mehr nehmen. Darauf bin ich stolz und erzähle auch gerne meinen Kindern und meinen Mannschaften davon.
Mit dem 1. FC Kaiserslautern, dem SV Wehen Wiesbaden und dem 1. FC Saarbrücken spielen derzeit drei Ihrer Ex-Klubs in der 3. Liga. Wem drücken Sie am ehesten die Daumen?
Ich blicke bei jedem dieser Vereine auf eine tolle Zeit zurück. In Lautern habe ich das Laufen gelernt, in Saarbrücken das Toreschießen. Der FCK bringt sehr viel Tradition mit. Saarbrücken hat einen hervorragenden Kader in dieser Saison. Der SV Wehen hat es nicht zuletzt wegen der starken Konkurrenz im näheren Umfeld mit Eintracht Frankfurt und dem FSV Mainz 05 nicht immer einfach. Im Grunde sind es alles drei Klubs, die nicht in die 3. Liga gehören. Ich gehe davon aus, dass sie früher oder später wie schon Hansa Rostock den Weg in die 2. Bundesliga finden. Wie ich an der Kogge aufgenommen wurde und mich die Fans noch immer in Erinnerung haben, ist einfach unfassbar. Dafür bin ich sehr dankbar.
Wird man Sie irgendwann auch als Trainer in der 3. Liga sehen?
Das ist aktuell noch viel zu weit entfernt. Aktuell genieße ich die Zeit mit meiner Familie vor allem mit meiner dreijährigen Tochter Juna in der Heimat. Die letzten Jahre habe ich dafür genutzt, eine Umschulung zum Immobilienkaufmann zu machen. Aber auch als Trainer will ich weiterkommen. Ich habe mir vorgenommen, im neuen Jahr meinen ersten Trainerschein zu machen. Mal schauen, wie sehr ich dann in dieser neuen Rolle aufgehe.